Menschen

Heute ist es schon wieder passiert. m und ich sitzen gerade beim Mittagessen, da klopft jemand an die Terrassentür. T. steht da, mit einem Teller in der Hand, auf dem Teller zwei Dampfnudeln. Von nebenan. Mjam!, will ich sagen, tue es dann aber doch nicht (glaube ich).

Später, m und ich sind bei P. m fährt mit dem Dreirad durch den Hof und da ist der andere T. mitsamt Papa und Oma. Und tatsächlich passiert es hier zum ersten Mal, dieses „wenn du ein Kind hast, lernst du automatisch Leute kennen“, wobei das in diesem Fall so nicht stimmt, denn T.s Papa kenne ich ja schon, ziemlich lange sogar, sind wir doch damals selbst schon auf unseren diversen Fortbewegungsmitteln zusammen über den Hof gefahren. Dann aber wurden wir groß und größer und ich glaube, ich habe seit unendlichen Jahren nicht viel mehr als Hallo zu T.s Papa gesagt.
Nun fahren wieder zwei durch den Hof und immer denke ich an die Kettcars, die T.s Papa und sein großer Bruder besaßen, und um die ich sie höllisch beneidete, obwohl ich natürlich auch damit fahren durfte, aber es waren eben nicht meine.

Und dabei begann der Tag eher unrund, mit größter Matschigkeit. Dass wir überhaupt im Hof landeten, war auch nur der Tatsache geschuldet, dass P. ein Brot brauchte. Ansonsten hätte ich gedacht, das sei einer dieser Tage, an denen ich mich am besten in einer einsamen Hütte Haus verstecke und hätte folglich genau das getan. Es war dann aber doch einer der Tage, an denen es erstaunlich hilfreich ist, auf andere Menschen zu treffen. Nette Menschen.

Ich treffe ja sowieso fast nur nette Menschen, was vermutlich damit zu tun hat, dass ich mich bei vielem, über das sich andere aufregen, eher frage, warum man sich wohl darüber aufregt. Manchmal würde ich mich auch ganz gern mal aufregen und zur Zeit muss man nun wirklich nicht lange herumsuchen, um gute Gründe zu finden, aber ich meine jetzt hauptsächlich die Dinge, die mir ganz konkret hier und jetzt und vor Ort passieren.
Gestern nämlich haben wir Äpfel aufgesammelt. Wir hatten ein bisschen Angst, H. könnte uns zuvorkommen, aber nein, es gab mehr als genug Äpfel für alle. Wir sammelten also Äpfel auf und sofern ich selbst bestimmen kann, wann der Zeitpunkt da ist, an dem ich keine Lust mehr habe, ist das wunderbar.
Dieser Zeitpunkt trat früher immer viel zu spät ein, es gab immer noch einen Apfelbaum. Heute ist das komischerweise auch so, Ach, nur noch einen Korb voll. Ach, doch noch einen. Aber wenn man selbst diejenige ist, die das sagt, hat man (nicht ganz überraschend) überhaupt kein Problem damit.
Und irgendwann ist der Hänger voll und dann ist gut.
(T. so: Also bei uns war er voller.)

Dann muss noch einer den Hänger zur Sammelstelle fahren. Tja nun. Das ist dann eins dieser Dinge, über das ich mir einen Riesenkopf machen kann. Denn wer weiß, wie viel da los ist und dann will ich ja auch noch Apfelsaft mitnehmen und dann ist da kein Platz und wie mache ich das alles nur.
Egal.
Bin ich also mit dem Hänger zur Sammelstelle gefahren. An der quasi überhaupt nichts los war. Platz ohne Ende. Nichtsdestotrotz habe ich es nach fünf Minuten immer noch nicht geschafft, rückwärts den Hänger einzuparken, um die Äpfel abzuladen.
Was mich jetzt nicht sonderlich überrascht hat, wie soll das auch schneller gehen, wenn man nur ungefähr einmal im Jahr mit einem Hänger herumfährt.

Jetzt komme ich aber endlich zum Punkt, von wegen nette Menschen, über die sich andere aufregen, denn wie ich da so vor und zurück und wieder vor und zurück und … kommt der freundliche Sammelstellenmitarbeiter und grinst sich eins. Und na ja, dann lachen wir beide noch ein bisschen über mich und meine weiterhin höchst unglücklichen Einparkversuche und am Ende setzt sich der Sammelstellenmitarbeiter ins Auto und hat in genau einem Versuch das Auto samt Hänger einparkt.

Mittwoch

Heute mal wieder sandstrahlen. Zum zweiten Mal beim neuen Zahnarzt und dieses Mal ernsthaft darüber nachgedacht, doch den weit(er)en Weg auf mich zu nehmen und zur alten Zahnärztin, beziehungsweise ihrer Mitarbeiterin, Frau M., zurückzukehren. Nur fürs Sandstrahlen. Denn bei Frau M. ist das ein Wellnesstermin, vergleichsweise. Beim neuen Zahnarzt mehr die Kategorie: „Vom Bulldozer überfahren.“
Die Behandlung selbst, das ginge ja noch. Ist zwar auch rabiater, aber gut, dafür hat man es auch schneller hinter sich.
Aber das drumherum. Da mangelt es.
Frau M. nämlich unter anderem alle zwei Minuten so: Wollen Sie vielleicht mal ausspülen?
Ich will immer ausspülen.
Heute irgendwann nachgefragt deswegen, ging dann natürlich auch und natürlich könnte ich öfter fragen, aber nun. Beim Wellness muss ich nicht nachfragen.

Vielleicht aber schon eine Lösung für dieses Problem gefunden, denn, später am See, da erzählt M. von der Tochter von E., die hätte doch eine Praxis aufgemacht, nur für Zahnreinigung und so, hier in der Nähe.
Das Internet weiß davon nichts, aber es war auch nicht ganz klar, ob die Tochter nun R. oder I. heißt und ihren alten Nachnamen hat sie vermutlich auch nicht mehr.
Aber Ha!, auf dem Nachhauseweg (vom See) fällt mir ein, dass der Bruder der R. und/oder I. ja direkt gegenüber wohnt. Der wird das wohl wissen.
Übernächstes Mal Sandstrahlen wird also alles ganz anders. Nächstes Mal noch nicht, ich Heldin hatte nämlich schon vor dem Sandstrahlen gleich den nächsten Termin ausgemacht. Könnte ich natürlich noch ändern, aber ach.

Beim Zahnarzt selbst fühle ich mich dagegen gut aufgehoben. Der kam nämlich auch noch dazu, zur Kontrolle und weil mein Problemzahn immer noch herumproblemt. Der Zahnarzt hatte da noch eine Idee, mal sehen, ob er ihn kleingekriegt hat, den Zahn.

Da fällt mir ein: Lieber vermutlich mitlesender L.:
„Ein Ei und ein Brownie, bitte.“
Macht es Sinn, dass ein Zahnarzt das zur Assistentin sagt? Falls ja, bitte ich um Aufklärung.
Ich hätte natürlich nachgefragt, aber kaum sagte er (der Zahnarzt): Alles gut, auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal, schon vergesse ich, was ich noch hätte fragen wollen und weg, nichts wie weg.

In diesem Fall an den See.
Sehr merkwürdig, diese See-Sache. Bestes Wetter heute, angenehm warm, sonnig, aber nicht zu sehr, Sommerferien auch noch und der See, also das Wasser, noch nicht kälter als vor vier Wochen (zumindest mein Eindruck). Aber kein Mensch da, also kaum einer. Wo sind die alle? Ist mir ja auch recht, viel mehr See für uns ganz allein, aber verstehen tu ich das nicht.
Wir kauften das letzte Nucki-Nuss, die vorletzten Cola und Hurra, Pommes gab es auch noch. Sehr gute Pommes machen sie am See.

Wie wir so am Wasser stehen und Fische fangen (Naaaain!, würde m sagen), kommt plötzlich Wind auf. Dann noch mehr Wind und fünf Meter vor uns stiebt das Wasser auf einmal kreisrund in die Höhe. Fliegende Fische?, dachte ich noch, aber das kreisrunde Wasserschäumen wirbelte weiter. Ein Mini-Tornado. Hatte ich auch noch nie gesehen. Muss ich auch gar nicht wiedersehen, war nämlich tendeziell eher unheimlich, obwohl mini und flugs vorüber gezogen.

m schläft auf der Heimfahrt natürlich im Auto ein und ist später nicht sonderlich begeistert davon, ebendort und ziemlich verschwitzt wieder aufzuwachen.

Später fällt mir ein, dass wir ja grillen wollten und nachdem der Hofladen auf dem Weg zum See dummerweise nur Do, Fr, Sa offen hatte, hatten wir nun weder Maiskolben noch Zucchini (aber Bratwurst, Steak und Käse). Das heißt doch, wir hatten die verkümmerte Zucchini aus unserem Garten, das wäre immerhin eine Gabel voll für mich und eine für den MMM geworden. Ich beschloss dennoch, einfach mal nebenan nachzufragen, was der Zucchini-Überschuss gerade so mache. Tada!, schon hatten wir eine sehr ordentliche Grill-Zucchini. Super Sache, dieses nebenan, immer wieder aufs Neue.

Zwischendurch noch Tomaten geerntet. Ha! Die eine Sache in unserem Garten, die nicht verkümmert ist, ganz im Gegenteil. Also nun ja, teilweise doch. Drei von vier Tomatenstöcken stehen nämlich vor dem Haus, den ganzen Sommer über haben wir da vielleicht zwanzig Tomaten geerntet. Insgesamt. Aber einer von vier Tomatenstöcken steht hinterm Haus und Ha!, tut so, als wäre er fünf Tomatenstöcke auf einmal. Mjam!, würde m ganz zu recht sagen.

Montag

Nun, das mit den Auberginen nehmen wir vermutlich nicht in die Liste der zu wiederholenden Essen auf. Vielleicht doch, falls sich ein Georgier findet, der uns zeigt, wie man es richtig macht.

Dafür hat das mit dem Naan umso besser geklappt. Das gab es dazu und mit Naan weiß das Internet auch mehr anzufangen (ich habe mich grob an dieses Rezept gehalten).

An all die Mittagessen in Frankfurt gedacht. Als nächstes frage ich das Internet vermutlich nach Palak Paneer.

Beim Hefeteigkneten dagegen an Frau Gröner gedacht. Frau Gröner kann sich wunderbar fürs Hefeteigkneten begeistern und das völlig zu Recht. Hefeteigkneten ist großartig.

m war dann auch sehr begeistert, denn Naan, das sieht doch ziemlich nach Pfannkuchen aus, nicht wahr? Und das ganz ohne Käse.

*

Jede Gelegenheit genutzt, Julia Sommer sät aus von Tim Krohn weiter zu Ende zu lesen. Der dritte Band der Menschlichen Regungen. Es ist ein bisschen wie Blog lesen oder Serien gucken, ein Wiedersehen mit diesen ganz normalen Menschen, die so normal natürlich nicht sind, aber wer ist das schon. Und immer wieder von neuem erstaunt mich, wie offen sie miteinander reden, was sie sich alles sagen.

*

Immer noch an diesen blöden 11.000 Zeichen herumlaboriert. Es waren ja schon genug, dann aber wurde ich übermütig und dachte mir, Hurra, kann ich dies und das und jenes wieder herausstreichen, es waren immer noch knapp über 11.000 Zeichen, dann aber habe ich ein Word-Dokument daraus gemacht und nun. Irgendwo auf dem Weg dahin sind Zeichen verloren gegangen.
Dummerweise aber schon den Punkt erreicht, an dem ich keine Lust mehr habe, den Text zum dreimillionsten Mal zu lesen. Liegen lassen, nicht wahr? Dann ist er aber immer noch da und ich will ihn doch loswerden, um etwas anderem Platz zu machen.

*

Und noch mal Essen. H. hat uns im Frühjahr/Sommer zwei Buschbohnensetzlinge geschenkt (unter anderem). Nun ja, dachte ich, Buschbohnen.
Aber ich kann keine Setzlinge wegwerfen, die müssen schon selbst verkümmern. Im Gegensatz zu denen in H.s Garten sind sie das auch, verkümmert, aber wenn man sie für sich allein betrachtet, dann sehen sie sogar ganz gut aus.

Jedenfalls hingen auf einmal Bohnen daran und völlig aus dem Nichts heraus hatte ich Lust auf Bohnen. Ich musste ein paar Tage sammeln, bei eher verkümmerten Bohnensträuchern braucht es ein paar Tage, bis man eine Portion Bohnen zusammen hat. Dafür schmeckte es dann aber ganz großartig.

*

Man könnte meinen, ich würde es gern machen, dieses Kochen.
Ha! Trügerisch, dieses Internet.
Na gut, manchmal stimmt es. Viel öfter aber nicht. Nur Hefeteig, der ist tatsächlich bedenkenlos großartig.

Sonntag

Heute eine Blindschleiche erst beinahe überfahren, dann gerettet. Na ja, vom Radweg getragen und das noch nicht einmal selbst.

Der echte Retter steht noch da, als A. und A. angelaufen kommen. Wir kennen A. und A., A. und A. kennen den Retter. Großes Hallo.
Und das ist dein Enkele?, fragt der Retter und meint m.
A. zögert. Wie soll man das auch erklären? Ein halbes, antwortet sie schließlich.
Danke, liebe A., für alles, was war.

An den Urlaub am See denken, nach dem Regen, als allüberall kleine Frösche hüpften und U. Frösche von hier nach da trug. U., hier ist noch einer, rief andauernd irgendwer. U. jemand mit Ansprechgesicht.

Heute unter Hirschgeweihen gesessen und gegessen. Hirsch, natürlich. Auf Leinentischdecken. Bei einem Straßenfest. Und echte Teller, das auch. Und ein Schleifchenzettel auf dem Tisch: Schön, dass Sie hier sind, Guten Appetit. Oder so ähnlich.
Sehr lecker, der Hirsch.
Eingeladen worden.

Noch einen Spezialitätenteller, syrisch mit nach Hause genommen (nein, bei den Hirschen gab es den nicht). m hielt Börek für Pfannkuchen (m und Pfannkuchen: große Liebe) und fand es dann ein klein wenig doof, dass in diesen Pfannkuchen Käse drin war.
Zeigt später auf das Magenbrot und grinst.

Wegen des Spezialitätentellers fiel uns das Internationale Fest in D. wieder ein und mir die eingelegten Auberginen aus Georgien.
Wir hatten die Woche Walnüsse geknackt, eine Aubergine war auch noch da, morgen gibt es also georgische Aubergine, ich fürchte, es wird nicht ans Original herankommen, aber nun. Das Internet ist sich auch fürchterlich uneins darüber, wie georgische Aubergine zuzubereiten ist.

Bei G. anrufen, weil die für die Aubergine benötigte halbe Zitrone schimmelig war. Von G. gleich eine ganze Zitrone bekommen.

Daran denken, früher immer* und andauernd* nach nebenan geschickt zu werden, weil irgendetwas fehlte. Was brauchst du denn heute, fragte W. mal, danach wollte ich erst recht nicht mehr geschickt werden.
Im Heute sehr darüber gefreut, einfach anrufen und nach nebenan gehen zu können. Und dann eine Zitrone zu haben.

Bei Zitronen immer auch an K. denken, mich fragen, ob ihre Zitronenbäume bei uns groß werden, so groß, dass da tatsächlich auch mal Zitronen dranhängen. Wobei K. gar nicht so genau wusste, ob es tatsächlich Zitronenbäume sind. Könnten auch Mandarinen oder sonst was sein. Eventuell werden wir es herausfinden.

Die erste Feige von V.s Baum geerntet. Ich esse die ja nicht (pur), dem MMM hat sie geschmeckt. Dieser Baum eine wirklich schöne Überraschung von V.
Der alte Feigenbaum in D. im Grunde auch ein Geschenk. Von Frau V., die nicht mehr mitbekommen hat, wie der Feigenbaum groß und prächtig wurde und mehr Feigen hatte, als wir in einem Sommer essen konnten. Die auch nicht mehr mitbekommen hat, wie er abgesägt wurde (nicht von uns). Wir hatten uns zuvor Abkömmlinge gesichert, die wiederum momentan in guter Pflege bei R.
Bei Feigen immer auch an M. denken. Chili, Feigen, Schmand, alles in die Pfanne, Nudeln dazu, fertig. Das esse sogar ich.

Nach den neuen Walnüssen gesehen, denen, die noch am Baum hängen. Und nach den Äpfeln auch. Gleich welche gegessen, draußen im Herbst, auf dem Feld schmecken sie am besten. Fast in jedem rotbackigen Apfel der Wurm drin. Vermutlich werden es dieses Jahr nicht ganz so viele Kisten zum Einlagern.

Der MMM fragt sich (und mich), ob man Speierlinge** essen kann. Keine Ahnung. Er probiert und speit*** minutenlang Speierling aus.
Aber hübsch sehen sie aus, die Speierlinge.
P. hat den Speierling natürlich wegen des Mosts gepflanzt. Obwohl daraus dann auch nichts wurde, weil die Früchte viel zu früh (nun, früher als der Rest) reif werden.

Der Sommer ist mir am liebsten, wenn er sich verabschiedet. Wenn ich anfange, über Dampfnudeln und Kürbissuppe nachzudenken.
Draußen zu kalt fürs T-Shirt, aber noch nicht zu kalt für kurze Hosen. Die Apfelbäume regennass und auf dem Feldweg unter den Hochspannungsmasten werfen die Krähen schon wieder mit Nüssen. Im grünen Wald ein erster Anflug von goldenem Herbsttaumel.

Und auf den Bäumen am Bach erzählen die Stare. Vielleicht mein zweitliebstes Geräusch nach Pappelrauschen, diese Starengespräche, für die ich noch immer kein passendes Adjektiv gefunden habe, obwohl ich schon mindestens drei Jahre lang darüber nachdenke. Immer muss ich an Telegrafenmasten denken, Singender Draht und so, aber vermutlich hört sich das völlig anders an.

Mein drittliebstes Geräusch vielleicht Regenprasseln. Dann immer ans Juffing denken, das kleine Zimmer zur Kirche hin mit dem Blechdach davor. Das es jetzt leider nicht mehr gibt, dieses Zimmer. War schön da.
Zuhause prasselt der Regen auf die Dachfenster. Das ist auch gut.

An die Schafe von kürzlich denken. Die sich zwischen Weihnachtsbäumen versteckten und immer wieder mal nachsehen kamen, ob wir noch da sind. Mäh. Mähäh. Sehr gesprächig, diese Schafe.

Nach den Schafen tut sich eine Aussicht auf.
Die Aussichten. Niemals will ich im Flachland leben.

Gleich ist er vorbei, der Sonntag.

 


* gefühlt, halt
** Wie heißen sie denn, die Früchte des Speierling?
*** Ach. Daher der Name?

Wald und Bücher

Heute Urlaub gehabt. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als der MMM anrief und sagte, m und er stünden beim Getränkehändler und das Auto springe nicht mehr an.
Und dabei war ich morgens noch mit dem Gedanken losgefahren, was Ole wohl zu dieser Urlaubsfahrt meint und ob er mich auch wieder nach Hause bringen wird. Hat er doch kürzlich ganz plötzlich herumgepiepst und wollte kurz gar nicht mehr weiterfahren. Wirklich nur ganz kurz. Einen Moment innehalten, dann ging es wieder.

Immerhin war ich zu dem Zeitpunkt, als der MMM anrief, sowieso schon auf dem Heimweg oder zumindest in Richtung Heimat unterwegs, eventuell hätte ich noch irgendwo angehalten, aber so fuhr ich weiter und weiter und kam tatsächlich kurz vor dem Abschleppwagen beim Getränkehändler an.
(Der – natürlich – mal wieder nicht alles da hatte, was wir wollten. Aber so schlecht war das in diesem Fall gar nicht, mehr hätte auch gar nicht in Ole hineingepasst.)

Im Kofferraum stapelten sich nämlich schon Unmengen Tomaten (und anderes Gemüsezeug) vom morgendlichen Stopp beim Tomatenmann. Unmengen Brötchen vom lächelnden Bäcker.
Und Bücher, denn ich hatte auch bei der ehemaligen Lieblingsbuchhandlung Halt gemacht. Die immer noch Lieblingsbuchhandlung ist, aber tja, jetzt eben noch weniger um die Ecke liegt, als damals in D.
Ich entschied mich neben Unmengen an Postkarten für Takeshis Haut von Lucy Fricke und erst, als ich Töchter im Regal stehen sah (ebenfalls von Fricke), bemerkte ich, dass ich genau das schon zu Hause stehen habe, ungelesen. Na sowas.
Ich schmökerte gerade in einem Magellan-Buch herum, als mich schon die zweite Buchhändlerin ansprach, ob sie mir denn helfen könne. Nö, sagte ich und sie: Oh, ein Magellan-Buch, und schon lobten wir beide den Magellan Verlag in den höchsten Tönen. Ich zog Echt* von Christoph Scheuring aus dem Regal und sagte, das habe mir gefallen, daraufhin legte sie mir Halbe Helden von Erin Jade Lange ans Herz, das ich aber natürlich auch schon gelesen habe.
Daraufhin empfahl sie mir Der Märchenerzähler von Antonia Michaelis und nun, das hätte ich mir nie im Leben selbst ausgesucht, wegen Titel, Cover, Klappentext, Verlag, einfach allem, aber nachdem sie so begeistert davon war, habe ich es dann doch mitgenommen.

Ich fuhr weiter und eigentlich dachte ich, wenn ich diese eine Straße entlang fahre, komme ich dahin, ich kam dann allerdings woanders hin, das war nicht schlimm, machte die Sache nur etwas komplizierter, ich wollte ja noch in den Wald, genauer: auf die Tromm und deshalb hatte ich auch eine Wanderkarte mitgenommen, Problem war nur, dass die Tromm quasi am Rand der Karte liegt und ich jetzt von der falschen Seite kam.
Dann machte mich das Autofahren wahnsinnig und ich bog einfach links ab, wo es sinnvoll erschien und gerade, als ich dachte, diese Straße führt dann wohl doch ins Nichts, führte sie geradewegs auf einen Wanderparkplatz und nachdem ich kurz auf die Karte gesehen habe, hatte ich eine Vermutung, welcher Parkplatz das sein könnte. Ich stieg aus, guckte aufs Wanderparkplatz-Schild und Hurra, richtiger Parkplatz. Sehr praktisch, so ein gut funktionierender Orientierungssinn.

Ich ging also los, auf die Tromm, dort gibt es das Odenwald-Institut und das Odenwald-Institut hat eine Buchhandlung und drei Mal dürfen Sie raten, natürlich kaufte ich noch ein Buch (und Unmengen Postkarten), nämlich Allein in den Wäldern von Howard Axelrod. Und ein Eis, das kaufte ich auch.
Dann ging ich allein in die Wälder (Brüller, nicht wahr?).
Die Wälder waren sehr, sehr vertrocknet, viel mehr als bei uns. Viele braunhurzlige Blätterbäume und einige, die ihre braunhurzligen Blätter sogar schon abgeworfen hatten. Drei oder vier Mal blieb ich stehen, weil mir Schwaden warmer Orangenbaum**-Duft um die Nase wehten. Das habe ich noch nie erlebt, dass dieser Duft so richtig in der Luft liegt.

Auch ohne Duft blieb ich andauernd stehen, guckte Bäume an oder Aussichten und wenn ich nicht stehenblieb, freute ich mich, dass ich durch den Wald laufen konnte, ganz allein. Manchmal setze ich mich auch hin und guckte im Sitzen und manchmal fielen mir dann auch Wörter ein und Hurra, später, viel später, stellte ich fest, dass die Wörter sich nun endlich auf über 11.000 Zeichen angehäuft haben. Und das, wo ich dachte, es sei nun wirklich alles erzählt oder zumindest das Wichtige.

 


* Tja, Magellan, das ist jetzt nicht so doll, warum kann ich nicht direkt aufs Buch verlinken?
** Nein, natürlich keine echten Orangenbäume, aber diese Nadelbäume, deren Nadeln, wenn man sie zwischen den Fingern verreibt, nach Orangen duften.

Kontraste

Heute aus Gründen ein Rosa-Glitzer-Prinzessinnen-Märchenschloss-Puzzle gepuzzlet (mit Flamingos!), während auf den Kopfhörern gerade Paradise City* lief.

 

* Guns N’Roses, aber das wissen Sie natürlich

Heute so.

Wenn man mit der Liste im Kopf (Sparkasse, Briefkasten, Apotheke, Schraube) losgeht und plötzlich Meerschweinchen findet.
Dann ist das auf einmal ein guter Tag, in jedem Fall ein besserer als zuvor. m findet das auch, vor allem, nachdem die Meerschweinchen uns nach einigen Minuten als halbwegs vertrauenswürdig eingestuft haben und anfangen, hin und her zu flitzen. Hui!, sagt m und befiehlt den Meerschweinchen eine weitere Runde. An der Kommunikation m <–> Meerschweinchen hapert es allerdings. Vielleicht machen es die Meerschweinchen auch wie O. und verstehen nur das, was sie verstehen wollen.
Irgendwann gehen wir weiter. Tschüss Schweinchen, wir kommen wieder.

An Punkt 2 (Briefkasten) fährt L. an uns vorbei, winkt. Wenig später biegt ein Notarztauto um die Ecke. Dann ein Rettungswagen.
Kurz darauf verstummt die Sirene.
Oje, denke ich. Irgendwo hier im Ort.

Drei Traubenzucker später (Apotheke: check) biegen wir schließlich wegen Punkt 4 im Hof ein. Hinten im Hof stehen Notarzt und Rettungswagen. Oh Mist, denke ich und gucke erst mal, wo P. ist. Ich bin hier, ruft P. Ein Glück.

Später dann, sämtliche Punkte erledigt, dreht m eine Dreiradrunde auf dem Hof, gerade, als sich Notarzt und Rettungswagen wieder auf den Weg machen. Wir fahren an die Seite, m sieht ihnen hinterher. Wie in deinem Buch, sage ich. Die fahren jetzt ins Krankenhaus.
Auf der Treppe sitzt L., daneben steht C. Ach verdammt, denke ich und will etwas sagen, aber was sagt man da. Wieder das Herz, ruft C. noch, dann gehen sie hinein.
Alles Gute, lieber A. Möge es noch lange für dich schlagen, das Herz.

Wir sitzen auf der Bank. Schön ist es, auf der Bank zu sitzen. Wollt ihr Pfannkuchen, fragt H., als wir gerade gehen wollen. m sagt niemals Nein zu Pfannkuchen. Warum auch.

Unterwegs.

Heute morgen einen Teil des Mensch-Otto-Interviews mit Stephan Meurisch gehört.

Ach, Wandern. *seufz*
(Heute aber immerhin im Wald gewesen. Hurra!)

Später dann in der Zeitung von einem Bürgermeister aus unserer Gegend gelesen, der quer durch Deutschland gelaufen ist. In Etappen, was aber nur zwischen den Zeilen stand. Dabei ist das etwas völlig anderes. Also, ob man immer mal wieder ein, zwei Wochen unterwegs ist oder eben am Stück von A nach B läuft.
(Etappen sind natürlich besser als gar nichts.)

Jedenfalls, Stephan Meurisch ist (unter anderem) vier Jahre von München nach Tibet gelaufen. Ohne Geld noch dazu. Wenn ich das richtig verstanden habe, nicht, weil er sich und der Welt was beweisen wollte, sondern weil er eben keins hatte, aber trotzdem nach Tibet wollte.

Er meinte, bei so einem Vorhaben helfe es seiner Meinung nach, weniger vorausschauend zu sein, vorausschauend im Sinn von „herrje, was kommt da alles auf mich zu und oje, was passiert wenn xyz eintritt.“
Und da fiel mir mal wieder auf, wie ambivalent ich oft bin. Nach Italien laufen, kein Problem. Das wird sich schon alles irgendwie finden. Hat sich schon immer irgendwie gefunden. Aber mal eben spontan an den zwanzig Autominuten entfernten See fahren, um Himmels willen. Was dafür alles zu tun ist, welche Probleme das eventuell mit sich bringt, nein, das geht gar nicht.

Meurisch wird wohl ebenfalls des öfteren (unter anderem eben auch von Thorsten Otto) gefragt, warum er denn ausgerechnet zu Fuß unterwegs sei und nicht etwa mit dem Fahrrad, da käme man doch viel schneller von A nach B.
Ja nun, das ist ja das Problem. Ein Fahrrad ist viel zu schnell. Mir auch. Da kommt man ja gar nicht oder viel zu wenig dazu, nach links und rechts zu schauen, die kleinen Dinge am Wegesrand zu finden und die Welt auf sich wirken zu lassen. Vor allem, weil man ja auch viel mehr auf den Weg achten muss.
Auf den es natürlich ankommt, also auf den Weg. Als wir unser Berlin-Ostsee-Vorhaben abgebrochen haben, lag das unter anderem auch daran, dass wir gefühlt einen ganzen Tag lang an irgendeinem Kanal entlanggelaufen sind und nun ja, da hätte ich dann auch lieber ein Fahrrad gehabt, denn das war sterbenslangweilig. Alles flach, alles sah irgendwie gleich aus und noch nicht mal auf dem Wasser irgendwas los.

Meurisch erzählte auch noch darüber, dass er durch viele Länder gelaufen ist, deren Sprache er nicht beherrschte. Was sogar ein Vorteil sei, meinte er, denn man achte dann viel mehr auf alles andere und hätte so ein besseres Gefühl dafür, ob es der Mensch, mit dem man es zu tun hat, gut mit einem meint oder nicht. Außerdem sagte er, das sei wie mit Kleinkindern – also solche, die noch nicht sprechen, die würden ja trotzdem kommunizieren.
Zufälligerweise habe ich gerade so ein Kleinkind zu Hause, ein eher nicht sprechendes, und da habe ich das auch schon ganz oft gedacht, dass ich es total erstaunlich finde, dass man sich eben auch ohne Worte versteht. m versteht sowieso alles, was wir von ihr wollen und ich behaupte mal, wir verstehen auch das meiste von dem, was m uns mitteilen will. Da könnte man jetzt natürlich sagen, das sei doch klar, dass wir drei Familienmitglieder uns verstehen, aber bei anderen (fremden) Menschen funktioniert es genauso.

Ich habe aber nicht zu allem genickt, was Meurisch erzählte. Ich fürchte, ohne Geld würde ich nicht weit kommen, denn nun ja, man muss dann natürlich auf Leute zugehen oder zumindest nicht gleich davonlaufen (wollen), wenn Leute auf einen zukommen. Er sei in ein Fünf-Sterne-Hotel eingeladen worden, sagte er, und da hätte er sich abends einsam gefühlt, denn es war niemand um ihn herum, er war ganz allein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Abenden, an denen er von irgendwelchen Leuten, die er zuvor noch nie gesehen hatte, „nach Hause“ eingeladen wurde.
Nun, ich würde wohl lieber mit dem Zelt im Wald übernachten.

Lachen und Weinen.

Heute in einen der Fünf-Zentimeter-Dornen aus Nachbars heimtückischer Berberitzenhecke getreten. Es erwischte exakt den Zeh, wegen dem ich aus Gründen eh schon latent unrund herumlaufe.
Nun, so eine Fünf-Zentimeter-Dorne hat den positiven Effekt, dass die anderen Gründe höchst verblassend in den Hintergrund rücken.

Und jetzt das wirklich Positive: Frau Kaltmamsell verlinkte heute mit den völlig zutreffenden Worten „James Corben, der auf großartigste Weise einen an der Waffel hat, (…)“ auf Crosswalk Musical Videos von und mit James Corben. Ich sah mir das hier an und musste derart lachen, dass ich sogar den MMM aus dem Keller hervorgelockt habe (m hingegen ließ sich in ihrem Mittagsschlaf nicht stören. Ein Glück).

Der MMM, Sie müssen sich keine Sorgen machen, war nur zufällig im Keller, sein eigentlicher Job bestand nämlich darin, unsere Süd-Terrasse aus dem Nichts auferstehen zu lassen. Das klappte derart gut, dass wir heute Abend schon mal darauf* herumsitzen und -stehen konnten und es ist wirklich erstaunlich, wie anders sich das anfühlt (als auf der Nord-Terrasse). Denn obwohl in unserer Straße nur ungefähr zwei Autos in der Stunde vorbeifahren und Fußgänger (üblicherweise mit Hund) sind es auch nicht viel mehr, zeigt sich dann doch der eine oder andere Nachbar, man fühlt sich quasi wie mitten in der Großstadt *hust*, vor allem, da das bunte Heckendickicht, das wir uns an dieser Stelle so vorstellen, noch nicht mal ansatzweise existiert.

 

* nun, auf einem Drittel davon

Was ich euch jetzt erzähle.

Heute den diesjährigen Lieblingssee besucht (aus der Reihe der nahegelegenen Seen (die allesamt immer noch viel zu weit weg sind)).

Am See über Musik gesprochen, genauer: über Konzerte der Toten Hosen. Deren neue Lieder lagen ein halbes Jahr im Wohnzimmer herum. Zuerst hatte ich keine Kopfhörer, dann keine Lust, dann irgendwas anderes. Nun hat mir aber B. ein Konzertticket geschenkt, für Anfang September, es wurde also doch langsam dringend, die neuen Lieder mitsingsicher parat zu haben. Ansonsten nämlich macht ein Konzert (dieser Art) nur halb so viel Spaß.
Die neuen Lieder also endlich angehört und gedacht, huch, die kenne ich doch. Und ein paar kannte ich auch, aus dem Radio, aber die anderen kannte ich, weil sie sich nun mal anhören wie Tote-Hosen-Lieder (was jetzt nichts schlechtes ist).
Eins meiner liebsten Lieder (nein, kein neues) (und ich werde es wohl leider auch nicht live hören) ist: Schwimmen.
Womit ich jetzt wieder beim See bin, aber zu dem ist eigentlich schon alles gesagt.
Was jetzt auch nicht ganz richtig ist, aber nun.

Schon wieder was gelesen, gleich beide Bücher von Celeste Ng (Kleine Feuer überall / Was ich euch nicht erzählte). Gleich mal Celeste Ng auf meine „alles von ihr lesen“-Liste gesetzt. Nur gibt es ja leider noch nicht mehr von ihr zu lesen. Vermutlich wird es auch gar nichts Neues je geben, denn ich vermute, mit Ngs Büchern verhält es sich genau wie mit Tote-Hosen-Songs, kennt man eins, kennt man alle (ja, das ist übertrieben). Aber das macht ja wiederum nichts.

Ngs Bücher passen wiederum prima (so ein Zufall, nech) zum sichtbar sein, zum Reden, beziehungsweise Schweigen, zu all dem, was ich nicht sage, zu dieser Ohnmacht, die sich einstellt, wenn ich doch mal was sage und keiner hört es (ja, auch das ist übertrieben) oder jemand hört es, aber er hört etwas ganz anderes.
Auch dazu, dass ich ein Problem damit habe, herauszufinden, was ich will, aber ganz oft weiß, was der andere (von mir) will.
Und noch siebentausend andere Sachen.

Und ich denke an die Leserunde in D., frage mich wieder einmal, ob es nicht auch eine Leserunde in H. geben könnte, denn beide Bücher wären genau das richtige für so eine Runde, aber im Endeffekt würde ich dann doch wieder nur in der Runde sitzen und mich fragen, von was die alle reden, warum dieses oder jenes denn so schwer zu verstehen ist und irgendwann würde ich dann doch etwas sagen (im dritten Anlauf) und die Wörter würden wieder gänzlich falsch herauskommen und ich würde mich unterbrechen lassen, obwohl ich doch noch gar nicht zu Ende geredet habe und jemand würde mir antworten und da wäre es dann wieder, dieses Gefühl, wie kann er denn etwas ganz anderes hören, als das, was ich gesagt habe, hat er mich überhaupt gehört?

Und nun ist es schon wieder passiert, alles hört sich ganz furchtbar und nicht zum Aushalten an, und so ist es ja auch, aber so ist es auch nicht.

Und dazu fallen mir jetzt all diese Übungen ein, abends aufschreiben, was gut lief, dem Guten mehr Gewicht verleihen, ich will ja immer schreiend weglaufen, wenn ich davon lese, aber es funktioniert natürlich und daher suche ich jetzt noch etwas Gutes abseits des Lieblingsseebesuchs.

Und da findet sich sogar etwas, denn der Text von vorgestern (den kennen Sie nicht), der ist beim heutigen Lesen immer noch brauchbar und vorhin beim Essen fanden sich sogar weitere Worte und ich konnte die sogar aufschreiben, denn m aß mit Begeisterung ungefähr drei Mal so viel Nudeln wie ich und m kann ganz wunderbar allein (allein wie: selbstständig) essen (wenn sie denn will).