Ich bin da

T hatte mir von Dami Charf erzählt und über Dami Charf bin ich auf Umwegen zu Verena König gekommen, bei der ich dann dachte, dass mir das, was sie sagt, schon sehr bekannt vorkommt.

Manche Dinge kann man gar nicht oft genug hören.

Im Podcast (von Verena König), den ich heute gehört habe, ging es um den Körper, also den eigenen. Mit dem man sich wieder anfreunden soll. Weil er Antworten habe.

Mein Körper heute so: Leg dich auf den Boden. Ich war gerade im Wohnzimmer, als er das sagte, einer Erfüllung dieses Wunschs stand daher eigentlich nichts im Weg. Außer dem Gedanken: Hä? Was soll das, wozu soll das gut sein?

Ich habe mich auf den Boden gelegt, warum auch nicht, es tat erstaunlich gut. Vielleicht hatte ich ein klein wenig vergessen, wie gut das tun kann. Früher kam „auf dem Bauch auf dem Boden liegen“ in meiner Yoga-Routine vor, aus irgendwelchen Gründen (schwanger?) fiel es aber raus und ward seither nicht mehr gesehen. Vielleicht sollte ich es wieder aufnehmen.

Zuvor hatte ich schon beschlossen, heute mal so richtig krass nichts zu tun, beziehungsweise allenfalls nutzloses, gar „schädliches“ Zeug wie zum Beispiel: ohne schlechtes Gewissen belanglose Romane lesen. Komischerweise hatte ich irgendwann keine Lust mehr dazu, ich setzte mich dann lieber auf die Terrasse. Dort schien die Sonne, eine dicke Hummel brummte um mich herum, ich hatte auf einmal Lust, Sachen aufzuschreiben.

Der Nachbar klagte über seinen Rosenstock, kümmerlich sehe der aus. Der Nachbar stand noch auf dem Bürgersteig, sah die Straße hoch und wieder runter, als meine Kollegin mit dem Postfahrrad gefahren kam. Und obwohl sie gar keine Post für den Nachbarn hatte, hielt sie an und die beiden sprachen kurz über Wind und Wetter. Ich saß immer noch in der Sonne, hörte zu und als sie wieder weitergefahren war, dachte ich darüber nach, wie es sein kann, dass sie einfach so mit Leuten redet und ich nicht. Mich muss man schon ziemlich offensiv ansprechen, damit ich mich über Wind und Wetter unterhalte. Während ich noch darüber nachdachte, schrieb ich weiter Sachen auf, schrieb auch an diesen Gedanken herum und schrieb irgendwann: Annehmen, erwünscht zu sein.

Das ist nämlich das, was mich weiterfahren lässt. Weil es mir fehlt. Weil ich annehme, dass alle Menschen grundsätzlich Wichtigeres und Besseres zu tun hätten, als sich mit mir zu unterhalten. Dass ich ihnen mit meiner reinen Anwesenheit zur Last falle, etwas aufbürde, sie von anderen, sehr viel wichtigeren Dingen abhalte.

(Ich weiß, dass das nicht stimmt. Dieses Wissen ändert aber so ziemlich gar nichts.)

Dami Charf, Verena König und auch M sind sich recht einig: Diese Annahme, dieses Verhalten, es hatte gute Gründe. Es gab einmal eine Zeit, da war das meine beste Überlebensstrategie. Nicht anzuhalten. Weiterfahren, mich unsichtbar machen, verschwinden, verstummen, Ich-bin-gar-nicht-da.

Jetzt, heute, ist das nicht mehr sinnvoll. Dami Charf, Verena König und vielleicht auch M sind sich einig: das dauert. Ich werde noch viele Male vorbeifahren. Ich werde Gründe finden, warum Anhalten in diesem Moment keine gute Idee ist. Ich werde anhalten und sofort weiterfahren wollen. Ich werde anhalten und nach Zeichen Ausschau halten, die mir bestätigen, dass mein Gegenüber tatsächlich Wichtigeres zu tun hat. Aber eben auch: Ich werde merken, dass ich das tue. Ich werde mir verständnisvoll auf die Schulter klopfen und sagen: Okay, dieses Mal hat es noch nicht so gut geklappt. Vielleicht nächstes Mal.

Und irgendwann werde ich es einfach tun und es wird sich gut und richtig anfühlen.

Ich bin traurig.

Kürzlich hat mir das Internet von SAFE erzählt, einer Serie von Caroline Link zum Thema Kindertherapie.

Eine der Szenen, die bei mir hängengeblieben sind, ist die, als der sechzehnjärige Junge, der andere mit seinem Auftreten, seinen Worten, seinem Handeln Angst macht – als der auf einmal sagen kann: „Ich bin so traurig.“

Ich bin auch traurig. Ich denke immer, ich sollte es nicht sein, ich habe doch gar keinen Grund dazu. Es gibt so viele schöne Dinge in meinem Leben – ich bin gesund, habe eine Familie, ein Zuhause, neuerdings sogar einen Job, der mir Freude macht. Und doch. Ich bin traurig. Ich bin so furchtbar traurig und wenn ich denke, ich darf es nicht sein, macht das alles nur noch schlimmer. Und warum sollte ich auch nicht traurig sein, was ist denn so schlimm daran? Es geht vorüber. Nichts ist für immer. Irgendwann ist es wieder gut und erfahrungsgemäß ist es umso schneller wieder gut, je mehr ich es zulassen kann, je mehr das, was ich nicht haben will, eben doch da sein darf.

Ich bin traurig und denke, ich dürfte es nicht sein. Dass ich doch wenigstens einen Grund dafür haben müsste. Dies hat nicht geklappt oder jenes.

Ich habe keinen Grund. Oder vielleicht doch. Vielleicht den, dass vor vielen Jahren meine Mama gestorben ist. Da war ich zwei Jahre alt. Ich kannte sie gar nicht. Ich weiß nicht, wer sie gewesen ist. Sie war nicht für mich da. Sie war nicht mehr für uns da. Niemand wusste, wie man damit weiter leben kann. Man lebt trotzdem weiter, irgendwie geht das schon.

Das ist doch kein Grund, denke ich. Das ist so lange her.

Aber wenn noch nicht einmal das ein Grund ist, was dann? Dann darf ich nie traurig sein. Ich bin es aber. Ich bin traurig.

Und es ist gut.

heute nicht

Eigentlich wollte ich im Zuge von „beautiful stuff“ übers draußen sein schreiben. Weil das genauso großartig ist, wie die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt.

Es hat dann aber nicht funktioniert (darüber zu schreiben). War wohl noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Dafür höre ich jetzt schon wieder Musik. Wegen Frau Novemberregen. Die schrieb gestern Dinge, die ich heute morgen gelesen habe. Nämlich schrieb sie so wunderschön darüber, dass ich mich trauen soll und es gab auch noch einen Song dazu. Und ich war so berührt und vielleicht lese ich genau deshalb (um berührt zu werden).

Gerade schrieb ich ja noch, dass Lesen oft dazu führt, dass ich mich schlecht fühle, aber viel, viel öfter führt es eben auch dazu, dass ich mich gut fühle, dass ich überhaupt fühle und das ist doch wunderschön.

Nach dem Lesen habe ich besagten Song gehört (zum allerersten Mal überhaupt) und war noch berührter und das ist doch wunderschön.

Und jetzt ist es 11:29 Uhr und ich habe noch Zeit, nach draußen zu gehen und das werde ich auch tun, weil draußen sein vielleicht das Schönste überhaupt ist und noch schöner ist, dass ich neuerdings sogar dafür bezahlt werde, draußen zu sein. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich eine Arbeit habe, die ich großartig finde, ich denke an diese Arbeit und freue mich darauf, sie zu tun. Und ich tue sie (die Arbeit) und freue mich, dass ich sie tue. Manchmal regnet es und dann passiert es schon mal, dass ich bedauert werde, weil ich diese Arbeit tue und draußen sein „muss“ und nass werde. Und tatsächlich kann ich diesen Gedanken nachvollziehen, tatsächlich denke auch ich „Öch nö“, wenn ich mir vor der Arbeit das Regenradar ansehe und alles über Stunden mehr oder weniger blau ist. Aber dann fahre ich mit dem Fahrrad durch den Regen und es ist gar nicht schlimm, ich fühle mich so wunderbar lebendig und wenn wieder einer „Sie Arme“ sagt, weiß ich zwar nicht, was ich antworten soll, aber dass ich eigentlich beneidet werden müsste und nicht bedauert, das weiß ich, das spüre ich. Und wie wunderschön ist das.

Jetzt aber raus.