Von Seemännern, Lebensaufgaben und der Kunst, zu sein

Kürzlich war ich in einem Buchladen. Das ist in meinem Fall nichts ungewöhnliches, in diesem Buchladen war ich allerdings nur, weil ich mir vom Geburtstagsgeld ein Halbjahres-Galore-Abo gegönnt habe. Darin enthalten die Literatur Galore mitsamt Buchläden-Index. Und dort ist unter anderem diese Buchhandlung gelistet, die nicht gerade auf dem Weg liegt, aber ideale Ausflugs-Entfernung hat.

Und daher habe ich einen Ausflug gemacht. Mit dem Kind, wir waren dann noch ein Eis essen, das war eine sehr interessante Erfahrung, vor einem Jahr hätte ich dieses Eis vermutlich noch nicht gegessen (die Umstände), dieses Mal aber doch. Um das Eis wäre es vielleicht gar nicht so schade gewesen, es hat den Umständen entsprechend geschmeckt. Aber manchmal ist es wichtiger, sich überhaupt zu trauen, ein Eis zu essen.

Im Buchladen habe ich natürlich Bücher gekauft. Eins von Arno Frank, So, und jetzt kommst du. Von Arno Frank habe ich kürzlich Seemann vom Siebener gelesen. Das hat mich derart überzeugt, dass ich es mir noch kaufen werde (gelesen hatte ich ein Exemplar aus der Bücherei). Und das mache ich eigentlich nie. Zuletzt bei Iris Wolff, Die Unschärfe der Welt, das steht jetzt hier im Schrank, sogar zweimal, da ich zwischenzeitlich vergessen hatte, dass ich es schon gekauft hatte.

Tatsächlich wird mir Iris Wolff unter „Das könnte Sie interessieren“ auf der Verlagsseite zu Seemann vom Siebener angezeigt. Vielleicht sollte ich mir die anderen Bücher, die mich interessieren könnten, auch noch genauer ansehen …

Das andere gekaufte Buch ist kreativ. Die Kunst zu sein von Rick Rubin. Wobei ich glaube, es geht gar nicht (nur) um Kreativität, mehr um das Leben an sich. Wer weiß, vielleicht gibt es da auch gar keinen Unterschied.

Eigentlich wollte ich aber von einem ganz anderen Buch erzählen, nämlich Ich lese deine Lebensaufgabe von Eric Standop. Das habe ich mir nicht gekauft, sondern aus der Bücherei ausgeliehen, eigentlich auch nur widerwillig, weil ich so etwas dachte wie: „Gesichtslesen? Was ist das denn für ein Quatsch.“ Ähnliches dachte wohl auch der MMM, als er mich das Buch lesen sah, zumindest fragte er sinngemäß etwas wie: „Ich lese deine Lebensaufgabe? Ernsthaft?“

Im Grunde geht es aber auch nur darum, einfach (haha, einfach) eine aufmerksame Beobachterin zu sein.

Standop schreibt von Lernsätzen. Je nach Lebensaufgabe hat man gewisse Lernsätze, einer davon: „Lerne, die Langeweile zu lieben.“

„Vielleicht springt uns aus einem Buch, das wir gerade lesen, ein Zitat entgegen (...)“ schreibt Rick Rubin. Und es fühlte ich so an, als wäre das mit der Langeweile so ein Zitat. Mir ist oft langweilig. Ich habe mittlerweile eine Idee, warum das so ist, scheitere allerdings trotzdem immer wieder daran, der Langeweile zu entkommen. Und ja, klar, Langeweile ist total super, idealer Nährboden für Kreativität, blabla, vielleicht hat Rick Rubin sogar ein Kapitel dazu.

*geht gucken*

Nö, hat er nicht. Oder zumindest betitelt er es nicht so.

Nun denn. Langeweile schön und gut, in meinem Leben gibt es definitiv zu viel davon. Das passt jetzt wiederum gar nicht zu „Lerne, die Langeweile zu lieben“, dann aber natürlich doch, denn wenn man etwas weghaben will, bleibt es ja meistens erst recht da, also liebt man es und zack, Erleuchtung.

Na ja, so ähnlich.

Standop wischt Treppen, ich habe beschlossen, die Hecke zu schneiden. Aufmerksame Beobachterin, die ich bin, habe ich festgestellt, dass es mir draußen im Normalfall besser geht als drinnen. Und ich will ja Dinge tun, die mir gut tun.

Ich schneide also die Hecke und schneide die Hecke und schneide die Hecke und vergesse völlig die Zeit darüber. Das hört sich jetzt langweilig an, aber ich vergesse normalerweise nie die Zeit, schon gar nicht beim Hecken schneiden.

Zeichen und Wunder!

(Eventuell auch nur eine hormonbedingte Euphorie-Phase. Aber egal, trotzdem schön.)

Was ich will

Ich habe ein Buch gelesen: Nachts ist man am besten wach, von Kristina Sanders. Und natürlich ist das einer dieser Wohlfühlromane, niemals wäre die Wirklichkeit so pudrig rosa, das fängt schon damit an, dass fünf Menschen in einem Haus leben, ohne sich jemals zu streiten. Aber vielleicht stimmt das auch gar nicht, vielleicht ist die Wirklichkeit viel besser als man ihr nachsagt. Umgekehrt stellt es auch keiner in Frage. Diese Geschichten vom „echten“ Leben, die man erzählt bekommt oder selbst erzählt und hinterher sagt man: In einer Geschichte, einem Buch, würde einem das niemand glauben. Total unrealistisch, würden alle sagen.

Aber vielleicht ist das Leben ja so. Total unrealistisch.

Jedenfalls mochte ich dieses Buch sehr. Ich habe schon Unmengen Wohlfühlromane gelesen, überhaupt, was ist das für eine seltsame Kategorie, was für ein merkwürdiges Wort. Wohlfühlroman. Aber mir fällt gerade kein besseres ein. Ich habe schon sehr viele davon gelesen, die meisten sind doof. Wenn sie nicht unfassbar doof sind, lese ich sie oft trotzdem zu Ende. Und hinterher fühle ich mich schlecht.

Dieses Buch, diese Geschichte hingegen ist ungemein wohltuend. Obwohl sie doch gar nicht so viel anders ist als die anderen Geschichten. Dann aber doch. Ich habe keine Lust, darüber zu schreiben, warum das so ist. Ich weiß noch nicht mal, warum ich den Gedanken habe, ich müsste das tun. Ich kann doch hier tun und schreiben, was und worüber ich will.

Ich mochte das Buch vor allem deshalb, weil ich mir wünsche, dass ich diese versteckte Frau in mir drin auch endlich entdecke. Ihr Raum gebe. Da muss doch jemand sein. Da ist jemand. Ich weiß es. Ich weiß nicht, wer das ist, weiß noch nicht, wer ich sein kann, aber ich will es herausfinden. Ich weiß doch mittlerweile, wie das geht. Das Buch weiß es auch (zum Glück nur zwischen den Zeilen). Hinspüren. Hinhören. Ehrlich sein. Nicht mehr das tun, von dem ich denke, dass es irgendwer von mir erwartet. Herausfinden, was ich von mir erwarte.

Das Schöne ist, ich merke in letzter Zeit, dass sich tatsächlich etwas ändert, wenn es auch „nur“ meine Wahrnehmung ist. Immer öfter stehe ich neben mir und denke: Was zur Hölle tue ich da gerade?

(Herzlichen Dank dafür an M.)

Oder nein, meistens denke ich es erst hinterher. Was war das jetzt wieder? Warum verhalte ich mich so?

Netterweise ist dieser Gedanke neuerdings mit einem staunend-neugierigen Gefühl von „Ach guck“ verbunden und nicht mehr mit „Boah, du weiß es doch eigentlich besser, warum bekommst du es auch beim zweihundertsten Versuch noch nicht auf die Reihe?“

Weil ich noch nicht kann. Weil es so mühsam ist. Weil es viel einfacher ist, in siebentausend Wohlfühlromanen zu verschwinden, anstatt diese Leere auszuhalten, die sich auftut, wenn ich mich frage, was ich will. Was ich gerade brauche. Was mir gerade gut tun könnte. Und dann kommt da einfach nix.

Aber das stimmt nicht. Ich glaube das jetzt einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, was ich will – vielleicht ist das einfach nur eine Geschichte, die ich mir schon viel zu lange erzählt habe.

heute nicht

Eigentlich wollte ich im Zuge von „beautiful stuff“ übers draußen sein schreiben. Weil das genauso großartig ist, wie die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt.

Es hat dann aber nicht funktioniert (darüber zu schreiben). War wohl noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Dafür höre ich jetzt schon wieder Musik. Wegen Frau Novemberregen. Die schrieb gestern Dinge, die ich heute morgen gelesen habe. Nämlich schrieb sie so wunderschön darüber, dass ich mich trauen soll und es gab auch noch einen Song dazu. Und ich war so berührt und vielleicht lese ich genau deshalb (um berührt zu werden).

Gerade schrieb ich ja noch, dass Lesen oft dazu führt, dass ich mich schlecht fühle, aber viel, viel öfter führt es eben auch dazu, dass ich mich gut fühle, dass ich überhaupt fühle und das ist doch wunderschön.

Nach dem Lesen habe ich besagten Song gehört (zum allerersten Mal überhaupt) und war noch berührter und das ist doch wunderschön.

Und jetzt ist es 11:29 Uhr und ich habe noch Zeit, nach draußen zu gehen und das werde ich auch tun, weil draußen sein vielleicht das Schönste überhaupt ist und noch schöner ist, dass ich neuerdings sogar dafür bezahlt werde, draußen zu sein. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich eine Arbeit habe, die ich großartig finde, ich denke an diese Arbeit und freue mich darauf, sie zu tun. Und ich tue sie (die Arbeit) und freue mich, dass ich sie tue. Manchmal regnet es und dann passiert es schon mal, dass ich bedauert werde, weil ich diese Arbeit tue und draußen sein „muss“ und nass werde. Und tatsächlich kann ich diesen Gedanken nachvollziehen, tatsächlich denke auch ich „Öch nö“, wenn ich mir vor der Arbeit das Regenradar ansehe und alles über Stunden mehr oder weniger blau ist. Aber dann fahre ich mit dem Fahrrad durch den Regen und es ist gar nicht schlimm, ich fühle mich so wunderbar lebendig und wenn wieder einer „Sie Arme“ sagt, weiß ich zwar nicht, was ich antworten soll, aber dass ich eigentlich beneidet werden müsste und nicht bedauert, das weiß ich, das spüre ich. Und wie wunderschön ist das.

Jetzt aber raus.