Es ist alles noch viel schlimmer!

Heute morgen setzte ich mich ins Zahnarzt-Wartezimmer, sah zum Zeitschriftenregal hinüber und las dort diesen Titel.
Hm, dachte ich. Das ist ja jetzt total aufmunternd.

Optimistin, die ich bin, dachte ich insgeheim aber immer noch, dass das vermutlich genauso ist wie bei den „Nachrichtenmeldungen“ auf der GMX-Startseite. Die tun auch immer viel schlimmer, als es dann wirklich ist.

Tja nun, es kam anders.

Zuerst aber kam die freundliche Zahnarzthelferin, von der ich immer noch nicht weiß, was die richtige Bezeichnung für sie, beziehungsweise ihre Tätigkeit, wäre. Nennen wir sie der Einfachheit halber Petra, obwohl sie wirklich nicht aussah wie eine Petra.
Früher, als die neue alte Heimat noch die alte Heimat war, hieß Petra Frau Müller und zu Frau Müller ging ich so gern, wie man zu jemandem gehen kann, der einem mit furchterregendem Gerät im Mund herumkratzt.

Man weiß ja erst so richtig, was man hat, wenn man es nicht mehr hat.

Petra kann mit Frau Müller jedenfalls nicht mithalten. Frau Müller nämlich erzählte auch beim zweihundertneunzigsten Besuch (und ja, ich war wirklich oft bei Frau Müller) noch, was sie jetzt genau täte, als nächstes und in ebendiesem Moment. Das wusste ich natürlich alles schon, aber dass es trotzdem tendenziell beruhigend ist, fiel mir erst heute auf, als Petra eben nicht sagte, was sie da eigentlich tut. Nur am Anfang, das musste dann wohl reichen.

Frau Müller machte auch gern mal eine Pause und nun muss ich leider zugeben, dass ich das eine oder andere Mal dachte, dass ich dem Zahnarztstuhl sicherlich eine Viertelstunde früher hätte entfliehen können, würde Frau Müller nicht so viele Pausen machen.
Und nicht so viel erzählen.
Aber nun ja, man kann dann auch mal durchatmen. Und es beruhigt. Mich zumindest. Wenn Frau Müller von ihren Kindern, ihrem Vater und diversen anderen Familienmitgliedern erzählt.
Petra erzählte nur, dass sie morgen ins Palazzo geht und auch das erfuhr ich nur deshalb, weil sie Angst hatte, ich würde ihr mit meinem Ball ein blaues Auge hauen.

Bei Frau Müller gab es Lippenbalsam. In jeder Pause, wenn man wollte. Und ein Tempo, um den Mund trocken zu tupfen, nachdem man gerade wieder Blut gespuckt hatte. Man durfte überhaupt viel öfter spülen bei Frau Müller. Irgendwie gab es auch viel mehr Arbeitsschritte.

Aber das Wichtigste: Frau Müller bedauerte einen aufrichtig dafür, dass man jetzt in diesem ihrem Stuhl saß.
Aber ich will doch nur ihr Bestes!, schob sie dann hinterher und man glaubte es ihr sofort.
Ach, Frau Müller.

Ich hatte insgeheim schon beschlossen, Petra den Rücken zu kehren und zu Frau Müller zurückzukehren. Immerhin könnte ich mich dann nach dem Zahnarztbesuch auch wieder beim lachenden Bäcker mit Lieblingsbrötchen belohnen.
So weit weg ist es dann ja doch nicht.
*hust*

Eine Sitzung bei Frau Müller ist übrigens teurer als die bei Petra. Aber hey, die zwanzig Euro mehr (ja, zwanzig Euro! Mindestens), die investiere ich in diesem Fall gern.

Nur, dann kam ja noch das eigentliche, nämlich der Zahnarzt. Der guckte sich meine Zähne an, machte quasi Bestandsaufnahme und sagte daher allerhand unverständliches Zeug zur Kollegin von Petra. Eins B MD fünfundzwanzig, so in die Richtung. Zwischendrin verstand ich dann sogar etwas, nämlich: Da ist ein Loch.
Nein, nein, nein, dachte ich. Ich will nicht, dass da ein Loch ist.

Nützte leider nichts, es war immer noch da. Er machte sogar ein Foto davon und zeigte es mir (Börks. Das will doch keiner sehen!). Außerdem sagte er weitere unschöne Dinge, dass nämlich gleich zwei Zähne betroffen wären, bei dem einen könne man einfach die Füllung austauschen, bei dem anderen wäre das komplizierter, der hat nämlich keinen Nerv mehr und vom echten Zahn ist eigentlich eh nichts mehr übrig, daher wäre eine Teilkrone die beste Lösung und ach ja, eventuell ist auch die Wurzelfüllung schon infiziert, dann müsse man die auch neu machen und wieso schaffe ich es nur, in solchen Momenten immer noch zu lachen? Mir war doch eigentlich ganz und gar nicht danach?
Tja, nun.

Jedenfalls war das Loch genau an der Stelle, die ich sowohl Frau Müller, als auch meiner Ex-Zahnärztin jahrelang mit „irgendwas stimmt da nicht“ beschrieben hatte, von der aber beide, also hauptsächlich letztere, schworen, die sehe völlig gesund aus, nein, da wäre nichts. Das habe ich natürlich gern geglaubt. Vielleicht hat es auch gestimmt, es ist ja nun schon ein Weilchen her, dass ich zum letzten Mal dort war. Wer weiß.

Jetzt gehe ich aber doch erst noch einmal zu Petra. Beziehungsweise ihrem Chef.

Und dann wird sich zeigen, ob tatsächlich alles noch viel schlimmer ist. Sie drücken mir die Daumen, ja?

Hurra!

Da sind wir wieder.

An der Stelle noch mal ein Danke an alle, die das möglich gemacht haben.