Wer die Wahl hat.

Heute habe ich eine in Worte und Zahlen verpackte Möglichkeit im Briefkasten gefunden. Einen Wendepunkt.
Jetzt müssen wir uns entscheiden. Oder wir entscheiden uns nicht, aber das wäre ebenfalls eine Entscheidung. Alles bleibt, wie es ist, ist keine Option, dieses Mal nicht. Oder vielleicht doch, aber die Umstände werden sich auf alle Fälle ändern und was das für Auswirkungen hat – niemand weiß es, niemand kann es wissen. Vielleicht hat es gar keine Auswirkungen, vielleicht bleibt am Ende doch (fast) alles gleich. Vermutlich eher nicht.

Wirbelnde Gedanken und der ins Grobe gezimmerte Plan für den Tag kommt ins Wanken. Was nun, was tun, wie entscheiden?

Das Unvernünftige, wieder einmal zieht es mich zum Unvernünftigen. All diese Leute, die einen Plan haben, sie haben ja so Recht. Es ist doch viel vernünftiger. Man kann doch nicht ewig. Das geht doch nicht. Man muss. Das macht Sinn, ist das Richtige, Vernünftige. All diese Leute, die genau wissen, wo sie in fünf Jahren sind, wie und wo sie dann wohnen werden, leben wollen.
Ich weiß es nicht. Habe keinen Plan. Will keinen Plan.
Dinge die anderen ein Gefühl der Sicherheit geben – mir sind sie oft nur ein Klotz am Bein. Wo andere Möglichkeiten sehen, sehe ich Verpflichtungen. Wo andere mehr wollen, will ich weniger.
Vernünftig ist das nicht.
Aber vielleicht doch.

Und mittwochs gibt es Toast Hawaii.

Eine lächelt. Einer ist irgendwo anders. Eine schläft. Eine faltet ihre Serviette. Eine ruft. Eine will Kaffee. Einer redet nur mit seiner Frau. Eine muss aufs Klo. Eine ist nicht da. Eine spuckt Essen. Eine hat keinen Hunger. Eine bekommt nie ein Körnerbrötchen. Eine will ihren Teller nicht hergeben. Einer geht es nicht schnell genug. Eine will jetzt nach Hause. Eine fragt, ob sie hier übernachten kann. Eine hört nichts. Eine verstehe ich nicht. Eine versteht mich nicht. Eine will die Tasse randvoll haben. Eine will nichts in der Tasse drin haben. Eine versteckt ihre Tabletten unter einer Scheibe Wurst. Eine weiß nicht, wo ihr Platz ist. Einer ist im Krankenhaus. Einer nimmt die Sache mit Humor. Viele sind gestorben.

Harmlos.

An manchen Tagen passen das Wetter und ich einfach nicht zusammen. Im Normalfall sind das Tage wie heute, an denen alle außer mir* mit einem breiten Grinsen herumlaufen und Dinge wie „Endlich Sonne!“ oder „Endlich Frühling!“ sagen.

An solchen Tagen bleibe ich gern zu Hause. Das ist leider nicht immer eine Option, manchmal ist es unvermeidlich, das Haus zu verlassen und auf Menschen zu treffen.
Nun ja, auch unter Menschen kann man zu Hause bleiben**.

Heute ist so ein Tag. Ich habe die Jalousien heruntergelassen, meinen Kopfhörer aufgesetzt und den Lautstärkeregler nach rechts gedreht.

Aber in wenigen Stunden wird es unvermeidlich sein, mich doch unter Menschen zu begeben und spätestens, wenn mich der erste von ihnen in ein Gespräch verwickelt, ziehe ich mein Heidi-Kleidchen über.
Heidi wie Alm-Öhi und der Geißenpeter. Heidi wie: Denken Sie sich einen Namen für die Person aus, die Sie heute zum ersten Mal in ihrem Leben sehen und mit der Sie bisher noch kein einziges Wort geredet haben.

Die Leute mögen mich.
Das ist im Grunde nicht verwunderlich.
Das ist im Grunde etwas Gutes.
Das ist im Grunde so, als würde jemand Wildfremdes den Codenamen Heidi für mich wählen.
Und ich könnte es so gut verstehen.
Und ich könnte dieser wildfremden Person so gut eins auf die Nase geben***.

An den meisten Tagen bin ich ganz zufrieden damit, Heidi zu sein.
Aber manchmal wäre ich lieber Fräulein Rottenmeier.
Dann suche ich im CD-Regal nach etwas, das laut und böse ist und drehe den Lautstärkeregler nach rechts.

Manchmal habe ich Angst vor dem Tag, an dem das nicht mehr hilft.

 

* gefühlt
** Falls Sie sich fragen, wie das möglich ist – lesen Sie sich einfach durch complicissimus, Kategorie „vom Sichtbar werden“
*** Was ich natürlich nicht tue.