Wieder einmal gebe ich meinem täglichen Calvin Recht. Hausaufgaben im übertragenen Sinn.
Vorgestern erst wunderte ich mich mal wieder darüber, wie schnell eine Küche (und nicht nur die) zumüllen kann. Gerade noch blitzblank*, stapeln sich aus dem Nichts heraus schon wieder Teller, Pfannen, Töpfe, leere Flaschen, leere Brötchentüten, drei Lauchstangen, ein Beutel Kartoffeln, und, und, und.
Das Leben, eben.
Das tägliche Zen-Koan spricht von Wundern. Den alltäglichen, unbemerkten Wundern. Seifenschaum vielleicht. Das Knirschen der Brösel unter den Füßen. Glasringe auf Holztischen. Wäsche im Wind. Haare, überall Haare.
Das Leben eben auch: Schon wieder ein Geschenk.
Tagesplan, lustige Idee. Pläne waren ja noch nie mein Ding. Also eigentlich schon, ich mache gerne Pläne, fühle mich dann so effektiv, so: „Ich habe einen Plan gemacht, der erste Schritt ist getan, alles wird gut.“ Meistens mache ich dann auch noch den zweiten, vielleicht auch noch den dritten Schritt, spätestens dann fange ich an, den Plan in Frage zu stellen; Pläne überhaupt total und absolut doof zu finden.
Dann wiederum finde ich es doof, dass ich es niemals nicht auf die Reihe bekomme, irgendeinen Plan konsequent umzusetzen**.
Nun kann ich das Planen momentan sowieso in die Tonne treten.
(Ein bemerktes Wunder: m.)
Überhaupt halten mich Pläne sehr zuverlässig von den täglichen Wundern ab. Ich habe dann ja etwas zu tun, es gibt etwas abzuarbeiten, keine Zeit mehr, innezuhalten, um Kronleuchtersonnenlichtfunkeln an Wänden zu bewundern.
Fazit: Besser keine Pläne. Stattdessen gefühlt zu gar nichts kommen, das stimmt nicht, aber das, was getan wird, verschwindet, geht unter, nun, da der Nebel fällt, ist keiner mehr sichtbar.
Hinter dem Nebel:
Gelernt, was eine Schamwand ist. Dass es so etwas überhaupt gibt.
Geburtstag gefeiert. Viel gelacht. Mich andauernd und immer wieder über die Familie, die kleine, die große, die ganz große, gefreut. Dann wieder traurig gewesen, darüber, dass so viele schon nicht mehr da sind. Kein Lachen mehr hören, von dieser Seite. Dafür von der anderen, meines – „Ich habe mir schon gedacht, dass du da bist, ich habe dich vorhin lachen hören.“
Abschied, die Straße überqueren und an diejenige denken, die nicht mehr lacht, nicht mehr da ist, das früher zigtausendmal gehörte „Pass auf, wenn du über die Straße gehst“ heute noch im Ohr, lang, sehr lang ist es her. Rechts, links, rechts. Kein Auto, wir können gehen.
Später die Encyclopaedia Britannica in einem Regal entdecken. Erinnerungen, schon wieder. Fernsehabende, Worte tauchen auf, unbekannte, nachgeschlagene. Ein Fernsehsessel am Fenster.
Jetzt irgendwie den Faden verloren, Trauer auch darüber – so viele Worte, die einfach nicht zusammen passen, nicht stimmen. Aufschreiben, löschen, aufschreiben, löschen; Leben verlieren, was ist das überhaupt für ein Leben, das nichts aufgeschriebenes hergibt, ist das überhaupt ein Leben, aber es gäbe ja etwas zu schreiben, wenn nur die Worte –
Alltagswunder, der Mann, der die Fahnenstangenhalterung sauber macht, uns zulacht, Jubiläum? Jubiläum!, beim Nachbarn weht ebenfalls eine Fahne, Fahnen, rot-weiße Erinnerungen; der Seidelbast haut uns um mit seinem Duft und der neue Vermieter wirft uns nicht raus, die Welt ist gut, wieder einmal, Plan B darf Plan B bleiben; die Schamwandleute sind auch nett, einfach so, haben doch eigentlich schon Feierabend, fragen trotzdem „Brauchen Sie Hilfe?“, dann löst sich das Problem auf, man hätte auch einen Streit vom Zaun brechen können, aber wozu, wieder eine Gelegenheit vertan, zum Glück.
Der tägliche Calvin vielleicht doch eher der hier.
* Nun ja.
** Stimmt auch nicht. Aber gefühlt!