einfach mal

Einfach mal … jemanden anlächeln, steht auf der Postkarte, die im Biomarkt hinter dem durchsichtigen Kassenschalter lehnt. Es funktioniert, ich lächle sofort die Kassiererin an. Die allerdings interessiert das gerade wenig. Komisch, ist doch ein Biomarkt.
Hübsche Postkarte, will ich sagen und das zählte dann vielleicht sogar als Einfach mal … jemandem etwas Nettes sagen, was auf der zweiten Postkarte hinter dem Kassenschalter steht, aber irgendwie sage ich es dann doch nicht. Und auch die Frage, wo man diese Postkarten herbekommt, bleibt ungefragt, beantwortet sich aber wenig später von selbst, als nämlich im öffentlichen Bücherregal unzählige davon herumliegen.

Neben dem Bücherregal steht die Smalltalk-(Sitz)-Bank und da fällt es mir wieder ein, der Artikel in der Zeitung, feierliche Eröffnung dieser Bank, man möge doch einfach mal wieder mit jemandem reden, ob man den nun kennt oder nicht und jetzt gebe es genau dafür diese Bank, da setzt man sich hin und dann kommt jemand und tada, mit dem redet man (und alle haben sich lieb).

Auf der Bank sitzt keiner. Liegt vielleicht daran, dass die Bank in der Sonne steht und es neuerdings in der Sonne ziemlich heiß ist.
Ich setze mich ebenfalls nicht auf die Bank. Eine Smalltalk-Bank, nein, das ist nichts für mich, noch nicht mal im Schatten. Wenn ich auf einer Bank sitze, dann will ich gern in Ruhe gelassen werden. Meistens auch, wenn ich nicht auf einer Bank sitze.

Komischerweise bin ich trotzdem latent neidisch auf Leute wie T., die sich in den Zug setzen und zwei Minuten später die interessantesten Gespräche mit irgendwelchen fremden Leuten anfangen. Oder angefangen werden. Also wirklich interessante Gespräche, nicht nur dieses „herrje, diese Hitze“-Zeug. Frau Nessy nennt dieses Phänomen ihr Ansprechgesicht.
Das will ich auch, denke ich, aber dann sitze ich im Zug und im Zug habe ich natürlich immer ein Buch dabei (mindestens eins) und das will ich auch gern lesen oder wenn nicht, dann will ich einfach mal aus dem Fenster schauen, im Zug habe ich eine erstaunliche Ausdauer dafür, zu Hause klappt das dagegen überhaupt nicht. Im Zug aber könnte ich ziemlich lange einfach mal aus dem Fenster schauen und sehr glücklich dabei sein (vorausgesetzt die Klimaanlage funktioniert).

Kürzlich waren wir im Urlaub, am Weissensee, wir gehen da nun schon ziemlich lange hin und schon, als wir das zweite Mal dort waren, haben wir festgestellt, dass es anderen Leuten ganz ähnlich geht, dass die auch immer wieder dorthin zurückkommen, um Urlaub zu machen. Es ist aber auch einfach zu schön.
Dieses Mal war erstaunlicherweise keiner da, den wir schon mal gesehen hatten, viele andere hatten sich schon mal gesehen, aber es waren auch Leute da, die sich noch nie gesehen hatten, was man ihnen aber kaum anmerkte, denn bei jedem Abschied, denn für irgendeinen ist der Urlaub dann doch immer wieder zu Ende, gab es ausufernde Abschiedsszenen inklusive Adressentausch und der Vereinbarung auf ein Wiedersehen, im nächsten Jahr, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort.

Als wir nach Hause fuhren, interessierte das keinen.

Dabei hatten wir doch dieses Mal ein Kind dabei, und, so heißt es doch immer, wenn du ein Kind dabei hast (noch dazu so eins wie m), lernst du auf jeden Fall Leute kennen, so ist das einfach (ein Hund ginge auch, heißt es).

Nun ist es so, dass m und ich auch schon eine Weile ins Eltern-Kind-Turnen gehen. Im Eltern-Kind-Turnen ist es so, dass sich alle Mamas (ja, Mamas, der jeweilige Quotenpapa ist normalerweise außen vor) miteinander unterhalten, nur ich rede kein Wort. Also kaum eins. Auch nach einem Jahr nicht.
Was jetzt kein Jammern sein soll, das macht nichts und wenn ich will, dann kann ich das auch ganz gut, dieses Unterhalten, es ist auch nicht so, dass mich überhaupt niemals nie jemand anspricht, aber wenn, gebe ich kurze Antworten oder renne schnell in die andere Ecke, auf der m gerade auf einer Bank herumbalanciert von einer Bank herunterfällt.

Jetzt weiß ich mal wieder nicht, was ich eigentlich schreiben wollte.
Ach ja, die Postkarte, jemanden anlächeln und so.
Ich habe gleich eine Handvoll von diesen Postkarten mitgenommen, denn jemandem schreiben, das kann ich ganz gut oder zumindest besser als mit jemandem reden und auch wenn die Postkarten nun schon eine Weile ungeschrieben hier herumliegen, bin ich doch ganz zuversichtlich, dass sie irgendwann mit den richtigen Worten beim richtigen Mensch ankommen.

 


Falls jemand wissen will, wie sie aussehen, die Postkarten: *klick*
Da geht es zwar um Plakate, aber das ist quasi das Gleiche in groß.

Was machen wir heute?

Heute morgen habe ich damit angefangen, Bachmannpreistexte nachzuhören. Und zwar mit Bov Bjergs Text SERPENTINEN.

Gerade habe ich den Text auch noch mal nachgelesen, um die Stelle zu finden, die ich gleich zitieren will. Beim Nachlesen habe ich dann aber zuallererst festgestellt, dass es (natürlich) etwas ganz anderes ist, einen Text vorgelesen zu bekommen und dann auch noch vom Autor. Das sollte ich eigentlich wissen, spätestens seit Saša Stanišić. Vor dem Fest habe ich ungefähr drei Mal angefangen zu lesen, drei Mal resigniert, dann hörte ich Saša Stanišić live lesen und sollten Sie Saša Stanišić jemals live lesen gehört haben, verstehen Sie, warum ich danach ein viertes Mal zu Vor dem Fest griff. Und siehe da, mit seiner Stimme im Ohr hatte ich den Roman an wenigen Abenden gelesen. Mit Genuss, übrigens.

Aber zurück zu Bov Bjerg. Bov Bjerg, weil gefühlt sämtliche BloggerInnen, die ich lese, von seinem Auerhaus schwärmten; Auerhaus, auch das habe ich gelesen, dazu reichte ein einziger Versuch, es las sich ganz geschwind und abgesehen davon, dass ich mit dem Ende nicht einverstanden war (warum, weiß ich heute allerdings nicht mehr), fand ich nichts daran auszusetzen. Die Begeisterung der besagten BloggerInnen konnte ich allerdings auch nicht nachvollziehen.

In der ersten Vorleseminute war ich kurz davor, wegzuklicken, hatte allerdings gerade keine Hand frei und manchmal ist es ganz gut, keine Hand frei zu haben, den Rest der Zeit war ich nämlich doch sehr angetan und als ich das morgendliche Yoga beendete, zum MMM und zu m hinunterging, hatte ich sogleich die passende Antwort für die Frage des MMMs nach meiner (Gefühls)Lage.
Das Präteritum, das Präsens und das Futur lastet auf mir, sagte ich.
Das war dann selbst für meine Verhältnisse eine merkwürdige Antwort, der MMM sah dementsprechend fragend drein.

Das Präteritum, das Präsens und das Futur – das war diese eine Stelle, die sich sofort bei mir festgesetzt hatte, spätestens mit diesem Vergleich hätte mich Bjerg für seinen Text begeistert, allein es war nicht mehr nötig, ich mochte ihn ja sowieso schon, den Text. Also was heißt mögen, kann man Texte mögen, er war bei mir angekommen, der Text.

Und jetzt hätte ich fast das Zitieren vergessen*, Bov Bjerg, SERPENTINEN:

Und dann kamen die Erdzeitalter und legten sich auf mich. Das Präteritum, das Präsens, das Futur. Diese Versteinerung da, im Präteritum, schau mal, das bin ich.

 


* Den Titel dieses Textes habe ich übrigens ebenfalls aus SERPENTINEN zitiert geklaut.