Ich bin traurig.

Kürzlich hat mir das Internet von SAFE erzählt, einer Serie von Caroline Link zum Thema Kindertherapie.

Eine der Szenen, die bei mir hängengeblieben sind, ist die, als der sechzehnjärige Junge, der andere mit seinem Auftreten, seinen Worten, seinem Handeln Angst macht – als der auf einmal sagen kann: „Ich bin so traurig.“

Ich bin auch traurig. Ich denke immer, ich sollte es nicht sein, ich habe doch gar keinen Grund dazu. Es gibt so viele schöne Dinge in meinem Leben – ich bin gesund, habe eine Familie, ein Zuhause, neuerdings sogar einen Job, der mir Freude macht. Und doch. Ich bin traurig. Ich bin so furchtbar traurig und wenn ich denke, ich darf es nicht sein, macht das alles nur noch schlimmer. Und warum sollte ich auch nicht traurig sein, was ist denn so schlimm daran? Es geht vorüber. Nichts ist für immer. Irgendwann ist es wieder gut und erfahrungsgemäß ist es umso schneller wieder gut, je mehr ich es zulassen kann, je mehr das, was ich nicht haben will, eben doch da sein darf.

Ich bin traurig und denke, ich dürfte es nicht sein. Dass ich doch wenigstens einen Grund dafür haben müsste. Dies hat nicht geklappt oder jenes.

Ich habe keinen Grund. Oder vielleicht doch. Vielleicht den, dass vor vielen Jahren meine Mama gestorben ist. Da war ich zwei Jahre alt. Ich kannte sie gar nicht. Ich weiß nicht, wer sie gewesen ist. Sie war nicht für mich da. Sie war nicht mehr für uns da. Niemand wusste, wie man damit weiter leben kann. Man lebt trotzdem weiter, irgendwie geht das schon.

Das ist doch kein Grund, denke ich. Das ist so lange her.

Aber wenn noch nicht einmal das ein Grund ist, was dann? Dann darf ich nie traurig sein. Ich bin es aber. Ich bin traurig.

Und es ist gut.

heute nicht

Eigentlich wollte ich im Zuge von „beautiful stuff“ übers draußen sein schreiben. Weil das genauso großartig ist, wie die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt.

Es hat dann aber nicht funktioniert (darüber zu schreiben). War wohl noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Dafür höre ich jetzt schon wieder Musik. Wegen Frau Novemberregen. Die schrieb gestern Dinge, die ich heute morgen gelesen habe. Nämlich schrieb sie so wunderschön darüber, dass ich mich trauen soll und es gab auch noch einen Song dazu. Und ich war so berührt und vielleicht lese ich genau deshalb (um berührt zu werden).

Gerade schrieb ich ja noch, dass Lesen oft dazu führt, dass ich mich schlecht fühle, aber viel, viel öfter führt es eben auch dazu, dass ich mich gut fühle, dass ich überhaupt fühle und das ist doch wunderschön.

Nach dem Lesen habe ich besagten Song gehört (zum allerersten Mal überhaupt) und war noch berührter und das ist doch wunderschön.

Und jetzt ist es 11:29 Uhr und ich habe noch Zeit, nach draußen zu gehen und das werde ich auch tun, weil draußen sein vielleicht das Schönste überhaupt ist und noch schöner ist, dass ich neuerdings sogar dafür bezahlt werde, draußen zu sein. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich eine Arbeit habe, die ich großartig finde, ich denke an diese Arbeit und freue mich darauf, sie zu tun. Und ich tue sie (die Arbeit) und freue mich, dass ich sie tue. Manchmal regnet es und dann passiert es schon mal, dass ich bedauert werde, weil ich diese Arbeit tue und draußen sein „muss“ und nass werde. Und tatsächlich kann ich diesen Gedanken nachvollziehen, tatsächlich denke auch ich „Öch nö“, wenn ich mir vor der Arbeit das Regenradar ansehe und alles über Stunden mehr oder weniger blau ist. Aber dann fahre ich mit dem Fahrrad durch den Regen und es ist gar nicht schlimm, ich fühle mich so wunderbar lebendig und wenn wieder einer „Sie Arme“ sagt, weiß ich zwar nicht, was ich antworten soll, aber dass ich eigentlich beneidet werden müsste und nicht bedauert, das weiß ich, das spüre ich. Und wie wunderschön ist das.

Jetzt aber raus.

Text I just wrote.

Schon lange wollte ich das mal wieder tun. Hier schreiben.

Einfach so.

Oder auch, weil ich anderswo mehrfach „PLEASE blog“ gelesen habe. Texte gelesen habe, die ohne diesen Aufruf vermutlich nicht entstanden wären.

Dieser Text hier ist letztendlich aber doch eher Nadeah zu verdanken. Ihrem Album „Venus Gets Even“, insbesondere „Song I Just Wrote.“ Den habe ich heute Abend gehört und jetzt will ich davon erzählen. Weil es so schön ist. Musik ist schön. Die richtige Musik. Die etwas in mir berührt. Mich lebendig macht. So gern ich Bücher lese, führt dieses Lesen oft dazu, dass ich verschwinde. Mich aus dieser Welt ausblende. Gern mit einer Tüte Chips, die in mir verschwindet, mehr oder weniger unbemerkt. Lesen fühlt sich oft nicht gut an. Eher wie eine Sucht. Mehr, mehr, mehr, nie ist es genug, immer ist zu wenig guter Stoff da. Komischerweise lese ich selten ein Buch mehr als einmal. Auch wenn es ein großartiges Buch ist. Vielleicht gerade dann. Am Ende finde ich es beim zweiten Lesen gar nicht mehr so großartig.

Die richtige Musik kann ich unendlich oft hören. Zwischendurch wechselt sie, aber irgendwann ist die gute Musik von vor sechs Monaten wieder die gute Musik von heute.

Und jedesmal, wenn ich die richtige Musik höre, passiert es, dass ich mich bewegen will. Dann hüpfe ich durchs Wohnzimmer und es geht mir gut. Ich fühle mich lebendig. Ich bin lebendig.

Und ich denke an Nick Cave, an „The Red Hand Files“ (die ich auch nur durch Kikis Blog entdeckt habe), an Issue #223 und die Worte:

Visit galleries and look at paintings, watch movies, listen to music, go to concerts –  be a little vampire running around the place sucking up all the art and ideas you can. Fill yourself with the beautiful stuff of the world.

Ja, denke ich. Mal wieder auf ein Konzert gehen. Oder wenigstens durchs Wohnzimmer hüpfen.

So I might remember how to be.

Nadeah, Song I Just Wrote