Rein in die Krise, raus aus der Krise.

Gerade mal vierzig Beiträge und schon in der Blogkrise. Weil: andere (Blogger) schreiben über wichtige(re) Dinge, wollen was bewegen in der Welt, haben eine Meinung, schreiben ihre Meinung, erleben viel interessantere Sachen (als ich), und so weiter und so fort.

Mit Vergleichen kann man sich das Leben bekanntlich ziemlich schwer machen.

Ich habe jedenfalls beschlossen, dass mir das egal ist sein sollte. Was soll’s, schreib ich halt trotzdem über mich und was so passiert, beziehungsweise was eben nicht passiert in meinem Leben. Spaß macht das nämlich – zumindest, wenn ich es einfach tue und nicht stundenlang darüber nachdenke.
Da ich außerdem lieber schreibe als rede, erzähle ich hier manches, über das ich wohl eher nicht (oder nur nach beharrlichem Nachfragen) reden würde.
Dann treffe ich jemanden (so in echt, mit Anfassen und so) und der weiß plötzlich Dinge über mich und ich wundere mich und denke: Hä? Warum weiß der das?
Und dann stellt sich raus, der liest hier mit. Und ich denke: O Gott. Nie wieder schreib ich hier was, das kann ja jeder lesen.
Aber als nächstes stellt sich raus, dass es so schlimm gar nicht ist, denn plötzlich rede ich mit jemandem über Dinge, die ich sonst nicht erzählen würde (oder nur nach beharrlichem Nachfragen, siehe oben).

Und vielleicht klappt es nach 284 Beiträgen ja auch mal mit den wichtigen Dingen. Welt verbessern und so.

Das Elend des Alltags zeigt sich an einer Nähmaschine.

Das ist nämlich so:
Nie krieg ich was auf die Reihe.
(Das stimmt natürlich so nicht. Was mich nicht davon abhält, es zu denken.)

Statt was auf die Reihe zu kriegen, denke ich, ich sollte [beliebige Tätigkeit hier einsetzen]. In diesem speziellen Fall dachte ich immer dann: „ich sollte [nähen]“, wenn ich die Nähmaschine sah. Die strategisch un(?)günstig mitten im Wohnzimmer stand (wirklich wahr, das Snowboard war hübscher).

Statt die Nähmaschine an den Stromkreis anzuschließen und 1, 2, 3, 4 Dinge zu nähen, mache ich andere Sachen. Was man halt so tut. Blogs lesen, Geschirr spülen, Wolken gucken.

Bis G. anruft und sagt, sie bräuchte die Nähmaschine, ob ich die demnächst wieder mitbringen könne. Klar, kein Problem. Gesagt. Gedacht: Oje, oje, jetzt sollte ich aber wirklich [nähen].

Und tatsächlich: Nähmaschine angestöpselt, 1, 2, 3, 4 Dinge genäht, dabei nur ganz kurz verzweifelt, ansonsten das Genähte bewundert, Nähmaschine wieder ausgestöpselt, fertig.

So einfach ist das. Eigentlich.

Mám Berlín moc ráda.

Gerade erst hatte ich begonnen, tschechisch zu lernen – demnächst höre ich auch schon wieder damit auf. Ausnahmsweise liegt dieses frühe Ende nicht an meiner mangelnden Ausdauer – nein, das war von Anfang an so geplant.

Dazugelernt habe ich jedenfalls schon was: Ich hatte mich noch gewundert, dass dieser „Standardkurs für Selbstlerner“ nicht mit dem Üblichen: „Ich heiße …“, „Wie geht es dir“, „Mir geht es gut“ beginnt. Der MMM hat dieses Rätsel dann gelöst, als er fragte, warum ich eigentlich den Kurs für fortgeschrittene Anfänger ausgeliehen habe.
Ups.

Egal. Für Bitte und Danke hat es gereicht und auch für so unnötiges Zeug wie [siehe Titel]. Wobei das ja gar nicht so unnötig ist, schließlich fahre ich bald nach Berlin, bestimmt gibt es da Leute, die Tschechisch sprechen und dann kann ich sagen: Mám Berlín moc ráda. Was (vermutlich) sinngemäß so viel heißt wie: Berlin gefällt mir echt gut. Und ja, das weiß ich jetzt schon, dass ich das guten Gewissens sagen kann.

Ich könnte natürlich auch in der Tschechischen Republik zu jemandem sagen: Mám Česká republika moc ráda. Falls das dann so ist. Ich weiß, dass ich guten Gewissens sagen könnte, die Obstbaumalleen seien wunderschön – dafür hätte ich aber vermutlich den Kurs für fortgeschrittene Fortgeschrittene ausleihen müssen.

Letztes Jahr sind wir an ziemlich vielen Obstbaumalleen entlanggefahren. Wir wussten ja nicht, wohin. Also, wir wussten schon, wohin, wir wussten nur nicht, wie man dorthin kommt. Die Landkarte lag zu Hause und wo das Navi ist, weiß immer noch niemand.
Macht ja nix. Weil:
„Der Papa wird’s schon richten, der Papa macht’s schon gut …“ Der Papa ist auf jeden Fall höchst unerschrocken und fragt auch schon mal tschechische Straßenarbeiter, wie wir dahin kommen, wo wir hinwollen. Der Papa kann zwar auch kein tschechisch, aber er weiß sich zu helfen. Die Straßenarbeiter verstehen ihn, jedenfalls erzählen sie uns irgendwas und zeigen abwechselnd nach links und nach rechts.
Wir sagen Danke (auf deutsch), fahren weiter, der Papa kurbelt das Fenster wieder hoch (nein, das Auto ist nicht so alt, dass man tatsächlich noch kurbeln könnte, aber kurbeln ist eindeutig das schönste Wort für diesen Vorgang) und fragt mich: Und, wo müssen wir jetzt hin?

Rechts, links, geradeaus. Vielleicht schaffe ich das noch bis demnächst.

Armes Kind.

Kind: „Wääähhhäähhhääähhhh! Nein! Nein, ich will nicht! Wääähhhäähhhääähhhh!“

Mutter: seufzt, Vater: verdreht die Augen, Kind: schreit immer noch.

Mutter: „Aber Luis-Gustave, du kannst doch nächstes Mal … die Ann-Charlotte hat doch heute Geburtstag und deshalb …“

Kind: „Wääähhhäähhhääähhhh! Nein! Nein, ich will nicht in den BMW! Ich will Porsche fahren!“

 

Tja. Die Welt ist furchtbar ungerecht.

Verzaubert.

Zuerst wird es einfach nur stiller. Wald- und Bergstille. Sogar der Wind schläft. Droben hängen die Wolken graudunkel über den Gipfeln, drunten verstummt die andere, die laute Welt.

Ich sitze auf der Bank am Siebenbrünnlein, habe die Geschichte vom König, der Hexe und den verzauberten Königssöhnen gelesen und denke darüber nach, was ich wohl tun müsste, um die immer noch verzauberten Königssöhne zu erlösen, da sieht mich plötzlich ein Rehbock an, ein echter.
„Wer aus mir trinkt, wird ein Reh; wer aus mir trinkt, wird ein Reh.“

Ich fülle trotzdem meine Wasserflasche am Brunnen. Der Rehbock isst Buchenblätter und geht seiner Wege, ich esse Gummibären und gehe ebenfalls meiner Wege.
Komme an einen See und er liegt so still da, wie nur ein See daliegen kann. Die Berge stehen stumm um ihn herum, die Bäume spiegeln sich auf seiner Oberfläche, ich werfe einen Stein, noch einen, es ploppt, es ringt, kein Königssohn erscheint.

Die nächste Geschichte am Wegesrand erzählt von einem Riesen, der sich in eine Nixe verliebt. Es geht natürlich nicht gut aus, große Liebe, doch dann: „Aber Nixenglück währt nur einen Sommer lang.“

Mir ist ein wenig melancholisch zumute, nicht lange, der Weg verwandelt sich in einen Steig (Trittsicherheit! Schwindelfreiheit! Nur für Geübte!) und ich erinnere mich ans Angst haben und dass es mit dem Wandern so ist wie mit dem Skifahren: es macht dann am meisten Spaß, wenn ich auf dem Grat entlang balanciere, dem Angst-haben-Grat. Ich balanciere also und muss mich konzentrieren, nichts sonst hat mehr Platz in meinem Kopf und das ist gut so.

Schließlich stehe ich oben auf dem Gipfel, na ja, nicht ganz, auf dem Pass, der Scharte, aber höher werde ich heute nicht mehr kommen. Ich trinke vom Siebenbrünnleinwasser (nichts passiert), esse noch mehr Gummibären, könnte Stunden auf dieser Bank sitzen, aber dann mache ich mich doch wieder an den Abstieg.
Ich mag keine Abstiege, meine Knie fangen an zu schlottern, besonders das rechte, es hat sich von der letzten Überanstrengung noch nicht wieder erholt.
Mit jedem Schritt wird es lauter. In mir: Gedanken, Gedanken, Gedanken – und um mich herum: Autos, Lastwagen, Boote, Menschen, vor allem die.
Jemand fragt, ob ich mitfahren will, ich sage Nein und laufe und laufe und laufe, der Weg hat kein Ende, dann aber doch und schließlich sitze ich erneut an einem See, die Füße im Wasser; im Wasser auch eine Forelle (vermutlich), sie steht da und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, von mir jedenfalls nicht, die Sonne findet eine Lücke zwischen den Wolken und alles ist gut.
Irgendwo – in mir und um mich herum – verbirgt sich der traurige Riese und der König, der um seine verwunschenen Söhne heult und klagt, aber alles ist gut. Für den Moment.

Paragraph 43 oder: Der Seuche ein Schnippchen schlagen.

Gestern habe ich an einer Veranstaltung teilgenommen, die man unter dem kürzlich irgendwo (leider habe ich vergessen, wo genau) aufgeschnappten: „Esst mehr Desinfektionsmittel!“ zusammenfassen könnte.

Das dauert Stunden, warnte die Kollegin im Voraus. Sie sollte Recht behalten. Wobei die Veranstaltung an sich erstaunlich schnell vorüber war. Aber die Formalitäten! Erst die Anmeldung (Aber immer nur einer!), dann der heimtückische Kassenautomat, später den Beweis dafür abholen, dass man tatsächlich teilgenommen hat. Und auch bezahlt hat (Wo habe ich noch gleich die Quittung hingetan?). Während des Wartens auf Geschichten lauern. Da wäre die Beamtin mittleren Alters, die man in einem Roman fürchterlich vorhersehbar finden würde. Klischee!, würde man vor sich hingrummeln und darauf hoffen, es selbst besser zu machen. Aber nun ja, das Leben ist manchmal genauso vorhersehbar wie (schlechte) Romane. Dies bestätigte sich auch während Teil 3 der Veranstaltung (Teilnahmebescheinigung abholen). Da wurde man nämlich mit Namen aufgerufen und hätte jemand mit mir gewettet, welcher Teilnehmer bei „Frederic …, bitte“ aufstehen wird, ich hätte die Wette gewonnen.

Sterbenslangweilig – das war eine weitere Warnung besagter Kollegin (sinngemäß, jedenfalls). Es zeigte sich (mal wieder), dass ich mich über das, was andere langweilig finden, kaputtlachen könnte kann. Dabei ist das eine ernste Sache. Aber wie kann ich etwas ernst nehmen, wenn im alles zusammenfassenden Film drei junge Männer vor einer Imbissbude gezeigt werden, die (vermutlich) Currywurst mit Pommes essen und (ganz sicher) Cola dazu trinken und der Kommentator etwas von „ausgewogenen Mahlzeiten“ redet?

Sollte mich mal wieder jemand auf meinen (zu hohen) Cola-Konsum hinweisen, weiß ich nun wenigstens das (Gesundheits)Amt auf meiner Seite. Dummerweise bin ich es meistens selbst, die beim Gedanken an ebenjenen Cola-Konsum das schlechte Gewissen plagt.

Was ich ebenfalls auf gewisse Weise herrlich absurd fand: Als in ebenjenem Film eine blitzblanke Gastronomieküche gezeigt wurde und ebenjener Kommentator so etwas sagte wie: „Noch ist alles gut … aber da kommt sie schon, die Gefahr.“
Und – tadaa – Auftritt der Mitarbeiter. Des Bösen. Die den Keim mit sich tragen.

Ich weiß. Das macht natürlich alles Sinn und so. Und doch.

Sandgestrahlt. Oder: beim Zahnarzt.

zahnarztball

Das ist mein Zahnarztball. Vor vielen Jahren habe ich ihn von einer lieben Freundin geschenkt bekommen, aus Gründen, die mit Zahnärzten rein gar nichts zu tun haben. Diese Gründe haben sich mittlerweile erledigt, der Ball jedoch nicht, denn er ist von allerbester Zahnartzballkonsistenz: nicht zu hart, nicht zu weich.

Es soll ja Leute geben, deren Zahnarztbesuche sich hauptsächlich auf ein: „Alles prima, dann bis zum nächsten Mal“ beschränken. Ich gehöre definitiv nicht zu diesen Leuten. Mein Zahnarztball ist mittlerweile ziemlich abgenutzt. „Sie sind ja zum Glück nicht so empfindlich“, meinte die freundliche ZFA (oder ZMF?) heute. Hm. Vielleicht bin ich auch nur Meister im „so tun, als ob“. Aber meistens brauche ich ihn tatsächlich nicht (mehr), den Ball, jedenfalls nicht aktiv, ich habe ihn in der Hand, um etwas in der Hand zu haben und allein der Gedanke, dass ich bei Bedarf fest zudrücken könnte, hat etwas Beruhigendes.

Wer jetzt nicht versteht, dass ich bei Zahnärzten zu derartigen Mitteln der Beruhigung greife, hat wohl noch nie eine Wurzelbehandlung mitgemacht. Oder sich Weisheitszähne heraussägen lassen. Oder andere unangenehme Dinge, von denen ich gar nicht erst anfangen will.

Heute habe ich ihn jedenfalls doch wieder gebraucht, den Ball, obwohl „nur“ eine harmlose Zahnreinigung eingeplant war. Normalerweise nutze ich Zahnreinigungen mittlerweile, um mich in Meditation zu üben. Tja. Heute fühlen sich nicht nur meine Zähne sandgestrahlt an.

Und natürlich endete das Ganze auch nicht in: „Prima. Dann bis zum nächsten Mal“, sondern in: „Hm. Nicht ganz so prima. Wie passt es ihnen nächste Woche?“

Ahoi/j zum zweiten, oder: wenn einem plötzlich ein Licht aufgeht.

Nämlich warum das Ahoj und nicht Ahoi heißt. Ahoj ist tschechisch und heißt Hallo.

Das weiß ich, seit ich neuerdings tschechisch lerne. Genau genommen habe ich vor einer halben Stunde erst damit angefangen und eigentlich lerne ich es auch nicht wirklich, ich will nur so grundlegende Dinge wie: „Was heißt Bitte und Danke und wie spreche ich das aus“ herausfinden. Danke kann ich schon abhaken, Dĕkuji heißt das. Oder: Dĕkuju. Was es mit dem „i“ beziehungsweise dem „u“ am Wortende auf sich hat, habe ich leider noch nicht herausgefunden.

Ist ja noch ein bisschen Zeit. Bis Mitte Mai ungefähr. Dann werde ich sehr wahrscheinlich einen Tschechien-Ausflug machen und nachdem ich mich beim letzten Tschechien-Ausflug eher plötzlich und überraschend dort wiederfand (und kaum wieder herausgefunden habe, aber das ist eine andere Geschichte), will ich beim nächsten Mal zumindest des Bitte, Danke und Guten Tags mächtig sein.

Zumal ich jedes Mal fürchterlich neugierig werde, wenn ich fremde Sprachen höre. Was reden die da eigentlich, frage ich mich dann immer wieder aufs Neue. Was zum Beispiel dazu geführt hat, dass ich immer noch ein bisschen Ungarisch kann, auf Norwegisch unnütze Dinge wie: Skriver du ofte brev? (Schreibst du oft Briefe?) fragen kann und immer noch unsägliche so-lernen-Sie-Italienisch-Ohrwürmer im Kopf habe, in denen es zum Beispiel darum geht, mit Signor Rossi die Farben der Welt zu betrachten. Das Französisch und Spanisch, das ich vor unendlichen Jahren in der Schule gelernt habe, ist dagegen (leider) ziemlich in Vergessenheit geraten.

Ungarisch kann übrigens auch in Österreich ganz praktisch sein: dann nämlich, wenn andere noch über den Karfiol (Blumenkohl) auf der Speisekarte rätseln.

Neulich während der Arbeit unterhielten sich zwei und ich verstand auch kein Wort. Thailändisch sei das, stellte sich auf Nachfrage heraus. Hehe.
Aber bis Mitte Mai ist erst einmal Tschechisch dran.