Post aus Tirol.

Ich freue mich ja immer, wenn ich Post bekomme. Na gut, nicht immer. Hauptsächlich dann, wenn ich „richtige“ Post bekomme.

Neulich bekam ich Post vom Juffing. Das Juffing ist ein Hotel. Vielleicht das Schönste von allen. Da stimmt vieles, wenn nicht sogar alles. Aber nun ja, ich bin da nicht wirklich objektiv, vor allem nicht, seit das Juffing eine eigene Bibliothek hat. So eine, die diesen Namen verdient.
Keine, in der nur mehr solche Bücher zu finden sind, die von Gästen vergessen wurden. Oder solche, die in jeder Flohmarktkiste mindestens einmal zu finden ist. Oder die Bücher, die schon in Omis Regal standen und ein bisschen mühsam zu lesen sind. Wegen der Frakturschrift.
Nein, so eine Bibliothek ist das nicht. Mehr so eine, in der man eine regnerische Urlaubswoche verbringen kann. Oder auch zwei.

Aber zurück zur Post. Post von Hotels. Zu neunzig Prozent ist das keine „richtige“ Post. Stattdessen denke ich: Och nee. Werbung.
Und nehme mir vor, bei Gelegenheit zu schreiben, sie mögen mir künftig keine Post mehr zusenden.

Dem Juffing habe ich auch geschrieben. Ich habe von meiner Freude geschrieben: auf ihre Post, an ihrer Post, immer wieder.

In der aktuellen wurde vom Umbau berichtet und von der damit verbundenen Namensgebung der neuen alten Zimmer. Das war wieder so ein Moment, in dem ich das Buch die Post zur Seite legte, „Das kann doch jetzt nicht wahr sein“ dachte und mal eben eine Weile aus dem Fenster sehen musste.

Ich hatte nämlich folgendes gelesen:

„JA! – ich wünsche meinen Gästen eine Spiegelung von Körper und Geist, ein tiefes Erleben des eigenen Seins. Ich kann es schwer in Worte fassen – aber Skyfall [Name des Zimmers] ist etwas Eigenes, etwas, das jeder für sich selbst definieren muss. Skyfall ist für mich der Fall in alles und nichts.“

Ja und?, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Für Sie mag das nicht sonderlich spektakulär sein. Für mich schon.
Das verhält sich nämlich so: die Geschichte aus der irgendwann, vielleicht, ein Buch werden wird – diese Geschichte habe ich unter folgendem Dateinamen abgespeichert: „allesUndNichts.doc“. Und das Kapitel der Geschichte, das am meisten reingehauen hat (bei mir zumindest), hat den Titel: Skyfall.
(jetzt bitte den Blick aus dem Fenster dazudenken)

Aber zurück zur Post.

Da stand nämlich noch mehr drin. Zuerst kam die Bibliothek ins Juffing. Dann die Autoren selbst, zu Lesungen nämlich. Und jetzt, jetzt wird es auch noch ein Aufenthaltsstipendium geben. Für Autoren.

Vielleicht ist es nicht weiter schlimm, vermutlich nie in die Verlegenheit zu geraten, für diese Aufgabe ausgewählt zu werden. Das Arbeiten würde mir denkbar schwer fallen. Bei gutem Wetter lockt die Umgebung: Berge wollen bewandert, Seen bebadet werden. Bei schlechtem Wetter lockt die Bibliothek. Und der Pool. Und das Essen.

Da hilft vermutlich nur eins: mehr Urlaub.

 

(Danke an B., wegen dem wir überhaupt erst dorthin gefunden haben.)

Nichts.

Weil mir die Decke auf den Kopf fiel, habe ich mich in einen Zug gesetzt und bin nach Süden gefahren. Was anderes sehen. Neues entdecken.

Und: Stille.

Im Zug ist Stille und auch im Süden ist Stille, denn im Süden hängt Nebel über den Feldern.
Kein Baum gleicht dem andern. Nein, das hieß eigentlich anders: Kein Baum sieht den andern / Leben ist Einsamsein.
Nebelschwaden über Moorweihern und fernes Glockengeläut. Kahle Äste und leere Felder. Nebel, der von Bäumen tropft und das Geräusch meiner Schritte. Sonst: nichts.

Auf der Zugfahrt habe ich in meinem zerfledderten Flohmarktfund* ebenfalls von der Einsamkeit gelesen. Um Briefe ging es da und darum, die Menschen, die sie schreiben, durch diese Briefe noch besser kennenzulernen.

„Sie [die Briefe] machen den Eindruck, als wenn sie von etwas herkämen, was in jedem Menschen steckt, und soweit ich es verstehe ist diese Etwas – die Einsamkeit.“

Das ist dann einer dieser Momente, in denen ich das Buch weglegen und eine Weile aus dem Zugfenster sehen muss.

 

Vom Erfolg schreibt er auch, der Herr Saroyan. Vom Erfolg und vom Applaus, den einer bekommt:

„(…) was mich gleichzeitig in Verlegenheit brachte und freute – freute, weil jeder Mensch im Grunde genommen so ein Trottel ist (…)“

Wie wahr. So ein Trottel bin ich auch.

 

Die Bücher des Herrn Saroyan habe ich infolge einer dieser lesenden Kettenreaktionen gefunden. Genau genommen habe ich sie in Flohmarktkisten gefunden, aber sie hätten mich wohl nicht weiter interessiert, hätte ich nicht zuvor irgendwo gelesen, Die menschliche Komödie von William Saroyan sei Johnny Depps Lieblingsbuch.
Wie man sich jetzt vielleicht denken kann, habe ich eine Schwäche für Johnny Depp. Und – so es denn überhaupt stimmt – sein Lieblingsbuch rechtfertigt das durchaus.

 

Wieder zurück aus dem Süden starre ich die Straßenlaterne an und frage mich, ob wohl etwas dran ist, an den Worten, die ich von dort mitgebracht habe. Oder nicht.

 

* Wesley’s Abenteuer von William Saroyan

*seufz*

Es gibt so Leute, die stehen jeden Morgen spätestens um sieben Uhr auf, fangen quasi sofort damit an, produktive Dinge zu tun, zwischendurch essen sie was (gesundes und machen danach auch gleich wieder die Küche sauber), nach Feierabend widmen sie sich anderen produktiven Dingen, Kuchen backen, Adventskalender basteln, Holzmännchen schnitzen oder zumindest literarisch wertvolle Bücher lesen. Sie gehen rechtschaffen müde zu Bett, schlafen sofort ein, um am nächsten Morgen pünktlich um sieben Uhr wieder aufzustehen. Beim ersten Weckerklingeln. Oder fünf Minuten vorher.

(Doch, die gibt es!)

Manchmal wäre ich auch gern so. Mein Leben ist voller Fragen und das macht es nicht eben leichter. Soll ich wirklich jetzt schon aufstehen? Oder lieber noch einmal zweimal dreimal die Snooze-Taste drücken? Und was mache ich eigentlich heute? Kater füttern. Aber dann? Zum Lieblingsbäcker gehen, Brötchen holen? Oder doch lieber vernünftig sein und das nicht mehr ganz so frische Brot essen? Mit dem Brot könnte man natürlich auch Knödel machen, wozu man allerdings Milch bräuchte, wozu man wiederum einkaufen müsste, wozu man etwas vernünftiges anziehen müsste. Und die Küche. Die sollte man vorher vielleicht auch noch …
Ach. Vielleicht erst noch ein paar Blogs lesen.
Irgendwann endet der Tag und er endet mit dem Gefühl, nichts, aber auch gar nichts getan zu haben.

Das wiederholt sich so lange, bis ich mir selbst auf die Nerven gehe. Dann fange ich an, Pläne zu schmieden. Sie sogar umzusetzen. Erstaunlich, was man alles auf die Reihe kriegen kann.
Nach einer Woche gehen mir die Pläne allerdings derart auf die Nerven, dass ich gar nichts mehr tue. Außer literarisch vernachlässigbare Bücher zu lesen und den Kater zu füttern.

Der Kater, der tut ja auch nichts. Fressen, schlafen, Fellpflege. Mal kurz den Kopf heben, dehnen, strecken, gähnen. Vögel erschrecken. Menschen ärgern und dabei ein „Was, ich?“-Gesicht machen.

Vielleicht sollte ich über einen Hund nachdenken.

Und nun: die Werbung.

Oder: die Tagesthemen. Das kann man jetzt so oder so sehen. Oder auch ganz anders.

Weil: Wabbabel hat zwei neue Blogs.

Bei PueRee gibt es Bilder. Von Hühnern! Genau genommen von einem Hahn. Mehr Hühner! Habe ich doch schon immer gesagt.

Bei Worten und Werken gibt es, welch Überraschung, Worte und Werke. Von und mit Wabbablern. Wer wissen will, was der Kater mit dem Schreiben zu tun hat, kann das dort nachlesen.
Und warum steht das dort und nicht hier? Weil es dort ums Schreiben gehen soll. Wie, wann, warum, warum besser nicht, wo, wer und wozu ist das überhaupt gut. Falls es zu etwas gut ist. Aber lassen kann man ich es ja auch nicht.

49° 27´ N, 8° 40´ O

deviazione

Leben ist wie Wandern ohne Karte.

Du kannst an der Straße entlanggehen. Das ist am einfachsten, am schnellsten. Du weißt, wohin sie führt, du weißt, wann du ungefähr ankommen wirst.

Wenn du Pech hast, wirst du überfahren. Wenn nicht, bist du trotzdem ein Hindernis. Ärgernis für all diejenigen, die schneller unterwegs sind als du. Vielleicht nimmt dich jemand mit, vielleicht willst du gar nicht mitgenommen werden.

Abseits der Straße – ohne wegweisende Schilder* – musst du deinen eigenen Weg finden. Jede Gabelung wird zu einem Scheideweg: Hierhin? Dorthin?

Wenn du Pech hast, landest du im Nichts. Der Weg endet; einfach so oder vor einem verschlossenen Tor**.

Oder der Weg endet zwar irgendwo, aber nicht da, wo du eigentlich hinwolltest. Das kann gut sein, das kann schlecht sein.

Vielleicht hast du es schon vorher gemerkt, hast dir gedacht, dass ein Richtungswechsel angebracht ist, hast dir deshalb dort, wo keiner war, einen eigenen Weg gesucht, durchs Dickicht hindurch. Das ist mühsam. Dauert länger. Wenn du Pech hast, war die Mühe umsonst und du stehst erneut vor verschlossenen Toren.

Vielleicht triffst du jemanden, den du fragen kannst. Du kannst ihm glauben oder auch nicht.

 

Irgendwann kommst du an.

Ankommen ist immer nur der Zeitpunkt vor der nächsten Wanderung.

 

* na ja, außer vielleicht, du bist gerade im Schwarzwald, da steht alle zwei Meter ein Schild. Ausgenommen natürlich die Stelle, an der man es am dringendsten bräuchte.

** solltest du gerade in Italien sein, hängt mit Sicherheit auch noch ein Schild daran: „Attenti al Cane!“

Ja sowas.

Ist doch nur ein Fassadenjob*, habe ich kürzlich noch gesagt und ein: „Ich wünsche mir einen anderen“ hinterhergedacht.

Und dann?

Dann ist sie wieder da. Sitzt da und lacht. Streckt mir ihre Hand entgegen, ich nehm sie.
„Ich hab dich so gern“, sagt sie und da fällt mir nichts mehr ein.

Die nächsten Stunden habe ich immer wieder mal ein Lächeln im Gesicht. Fassadenjob, von wegen.

 

* Das ist eine wiederum eine andere Geschichte, die vor ein paar Tagen schon kurz davor war, aufgeschrieben zu werden. Vielleicht wird sie es ja noch, bis dahin denken Sie sich bitte einfach selbst was aus.

Konzertflüchter.

Es gibt ja solche und solche. Konzerte, Filme, Sportereignisse, [beliebige Veranstaltung hier einsetzen].

Solche, bei denen man recht schnell anfängt, die Lampen an der Wand zu zählen. Dem Mann da vorne links ein Burnout unterstellt, weil er nicht aufhört, mit den Beinen zu zucken. Den Mann neben sich verstohlen mustert, um herauszufinden, ob es ihm ähnlich geht, ob auch er schon Lampen zählt und man ihn bedenklos fragen kann, ob man vielleicht … den Heimweg …?

Solche, die irgendwann zu Ende sind (leider) und man sitzt da (oder steht) und … hach. Irgendwann macht man sich dann doch auf den Heimweg, still und erfüllt. Man will nicht reden, außer vielleicht ein „Wow“ oder ein „wie kann das sein, wie ist das möglich“, man will eigentlich nur schweigend schwelgen und dieses Ereignis noch so lange wie möglich mit sich herumtragen.

Dann gibt es noch die dazwischen. Zum Nachhausegehen dann doch zu schön. Man bleibt und wenn man geht, geht man leichten Herzens und hat keine drei Schritte später schon wieder die Musik vergessen, kann sich problemlos darüber unterhalten, wann der Schornsteinfeger kommen wollte und wer dann derjenige ist, der zu Hause bleiben muss.

Und überall gibt es die Konzertflüchter, diejenigen, die sofort aufspringen, wenn das Ende naht. Um als erste an der Bar anzukommen, als erste ihr Glas abzugeben, als erste fünfzig Cent Pfand einzukassieren, als erste ans Auto zu gelangen, als erste aus dem Parkhaus heraus, als erste wieder zu Hause.
Das Ende naht, wenn die Band noch vorn auf der Bühne steht; Musik machend oder sich verbeugend oder meinetwegen auch schon dabei ist, die ersten Schritte hinter die Bühne zu tun.
Warum habt ihr es nur alle so eilig, frage ich mich dann. Im Grunde frage ich mich schlimmeres, aber vielleicht war es für die zur-Bar-Eiler ja ein Lampen-Zähl-Konzert. Wer weiß das schon.

***

Das Tord Gustavsen Quartet macht Musik, die sich wie eine warme Decke um einen herumlegt; wie der Kater, wenn er die Ohren umklappt, um seinen Kopf in meine Hand hineinzuschmiegen.

Novembernebel.

Oktobersonne? Pfft. Meine Herz schlägt für November.

Nebeldunst über den Feldern. Konturen verschwimmen. Der Herbsttaumel ist zu einem einzigen Blatt geworden: es kreiselt lautlos zu Boden. Die Krähen haben die letzten Nüsse unter den Bäumen davongetragen, die Weiden warten aufs neue Jahr, die Eschen auf den ersten Schnee.

Jetzt darfst du dich ausruhen. Musst nichts mehr tun. Musst nicht mehr fröhlich sein. Darfst Nüsse knacken, den Kater zum Schnurren bringen, dich fragen, ob Herbert, der Igel, sein Winterquartier unter dem Kirschlorbeer schon bezogen hat.

Nichts wächst mehr. Die Brombeeren wollen ihre Blätter nicht hergeben.

November ist ein Weg, den keiner geht. Verschwommene Gestalten in dunklen Mänteln, immer zu weit weg. Sind sie wirklich da? Man kann nie sicher sein.

Der dumpfe Klang von Kirchenglocken.

November: so lange sitzen, bis die Stille mit dir spricht.

November: wenn du dich fragst, wohin die Krähen fliegen und wen sie mitnehmen.

Niemand da.
Das Land ist leer.

***

[Irgendwann geht alles kaputt. Sogar dein Lieblingspulli. Du hast ihn geflickt, hast ihn geliebt – jetzt musst du dich von ihm trennen.
Leicht ist das nicht.]

***

Ohne dich weiß ich nicht, wo mein Zuhause ist. Ohne dich ist Zuhause nur ein leeres Wort.

***

Ich dachte, ich könnte es.
Aber ich kann’s nicht.

Splish Splash.

Oder: Mit Ole Brumm in der WasserWunderWelt.

Es gibt Leute, die fahren mit ihrem Auto durch die Waschanlage. Hinterher sieht das Auto genauso aus wie vorher.
Es gibt Leute, die fahren mit ihrem Auto durch die Waschanlage. Hinterher sieht das Auto weniger dreckig aus als vorher.

Einmal dürfen Sie raten.