Weh.

Zuhause bin ich, ganz unverkennbar.

Unverkennbar, das sagt auch Frau W. in der Metzgerei, den Faden verliert sie gar, als sie m sieht, Also das ist ja unverkennbar!, ruft sie, meint aber nicht mich damit, jedenfalls nicht so, wie es all die anderen in der Zwischenheimat meinten.
Unverkennbar, wiederholt Frau W., und ihr Kunde muss drei Mal wiederholen, dass er einen halben Ring Lyoner möchte.

Zuhause, und das auch schon im neuen Haus, in dem es jetzt klingelt; G. klingelt, die Nachbarin, die so viel mehr ist als das; jetzt hat m ihren Spaß und ich auch und G. (glaube ich) ebenso.

Zuhause, das ist samstags zu P. hinunterlaufen, der Nachbar kommt, gefolgt von seinem Hund (oder umgekehrt), der Nachbar, der immer einen Spruch parat hat, B. kommt in den Hof gefahren, lädt Getränke aus, H. kommt, geht zu den Hühnern (die Hühner!), W. kommt auch noch und irgendeiner läuft den Mühlbuckel hinunter, grüßend; P. sitzt auf der Bank, oder in der Waschküche, in der schon lange nichts mehr gewaschen wurde, überhaupt ist sie nicht zum Waschen da, dafür riecht es nach Schinken, niemand geht hungrig oder durstig aus der Waschküche heraus, noch nicht einmal der Bürgermeister, so ist das Zuhause und wie die Leute reden.

Unverkennbar sind auch die Hügel und die Bäume auf den Hügeln, Obstbäume, Nussbäume, ein Falke, ein Bussard, Grün, dieses Grün, und Gelb, dieses Gelb und wie das riecht.

Aber dann laufen wir die Straße entlang, m findet jede Pusteblume, ich finde, es ist ziemlich laut, fuhren hier schon immer so viele Autos, und so schnell, und wo sind eigentlich die Menschen, keine alten Damen mit ihren Hunden unterwegs, auch nicht die Frau mit dem Lastenrad, und schon gar nicht das Ehepaar, immer zusammen, nie allein, immer eingehakt, er sieht aus wie Christopher Walken, ist es aber nicht; m und ich laufen zum örtlichen Einkaufsmarkt, einkaufen war auch schon mal schöner, warum haben sie die Lieblingsmilch, aber nicht die Lieblingsbutter, wieso sind die Pilze cellophaniert und wo ist eigentlich die Hefe; aber das wäre alles nicht so schlimm, doch dann, an der Kasse, da ist keine Frau S., die m namentlich begrüßt, sich freut und Quatsch mit ihr macht, da ist eine Frau, deren Namen ich nicht weiß, sie weiß unseren auch nicht, es könnte ihr auch nicht egaler sein, wie irgendjemand heißt, das Weh meldet sich, es meldet sich so lautstark wie die Autos, die an uns vorüber brausen, kaum, dass wir wieder auf die Straße hinaus treten; jetzt schnell weg, nur weg, die Straße hinter uns lassen und ab ins freie Feld, so war das eigentlich nicht geplant, zu matschig, zu anstrengend, aber das ist jetzt egal, nur weg, und da steht der L., Grüß dich, sagt er und es wird schon besser, das Weh, dann lassen wir auch den L. hinter uns, vor uns das Grün, ist das so grün und der Wind und die Felder und wie das riecht, und der Wald, es gibt sogar Waldmeister, und Sumpfdotterblumen, und die Bäume und die Hügel und der Wind.

Als wir wieder zu Hause sind, haben der Wind und die Hügel und das Grün das Weh davongetragen, das meiste davon, unverkennbar.

In der neuen Heimat.

Im Ort, in dem heute die Deutsche Meisterschaft im Mensch-ärgere-dich-nicht ausgetragen wird*, stehen wir mit einem Eis vor der Eisdiele, die nach all den Jahren immer noch da ist (und immer noch ist das Eis in D. besser). Neben dem idyllisch gluckernden Bach, der noch vor wenigen Monaten gar nicht so idyllische Schlammwüsten hinterlassen hat, sitzt eine Frau mit Kind an einem der Eisdielentische, isst – natürlich – Eis und unterhält sich mit ihrem Kind in einer uns unbekannten Sprache.

Aus der Eisdiele stürzt eine Frau in die Idylle, mitten auf der (eher unbefahrenen) Straße bleibt sie stehen, zieht ihre Jacke an und verkündet der sitzenden Frau mit Kind laut: „Wenn sie mit ihren Enkelkindern Mensch-ärgere-dich-nicht spielen, dann verlieren sie immer!“
Im örtlichen Dialekt sagt sie das.
„Ja“, sagt die sitzende Frau und würde die Herausstürzende die Sitzende wirklich wahrnehmen, würde sie merken, es ist ein ratloses Ja, eins von denen, die man entgegnet, weil ein Ja jetzt vielleicht genau das richtige sein könnte. Eventuell.
Die herausgestürzte Frau nimmt allerdings nichts davon wahr, sie hat mittlerweile längst ihre Jacke angezogen und eilt davon, die sitzende Frau sieht ihr schulterzuckend hinterher.

„Die Botschaft kam jetzt nicht an“, sage ich zum MMM.
„Was hat sie denn überhaupt gesagt“, fragt der MMM, der zwar mittlerweile meinen Papa versteht, was durchaus etwas heißen will, für den der örtliche Dialekt aber anscheinend immer noch eine Herausforderung ist. „Ich habe sie auch nicht verstanden.“

 

* Ja, genau, Deutsche Meisterschaft. Mensch-ärgere-dich-nicht. Wir haben uns auch gewundert.

vorher | nachher

 


* Dieser komische Punkt in der Mitte der Bilder: Eine weitere Folge Gescherbtes. Habe ich nämlich das Handy fallen lassen. Ups. Ging aber alles noch. Dachte ich. Stimmt ja auch. Fotos jetzt eben mit Punkt in der Mitte.

Ganz vernünftig?

Der E. ist eben ein Hitzkopf. Genau wie sein Bruder. Sagt der H.
Und ich denke: Hä? Hitzköpfe? Der E. und sein Bruder? Der E. ist doch ganz vernünftig? Und sein Bruder ebenso?

Aber gut, das erklärt die Geschichte, die der E. über den H. erzählte. Der E. habe den H. nämlich nach einer Banane* gefragt, die ihm der H. verweigerte, mit der Begründung, er, der H., habe vor Jahren vom XY, der mit der Geschichte ansonsten überhaupt nichts zu tun hat, ebenfalls keine Banane bekommen.
Hä?, dachte ich. Der H.? So eine bekloppte Begründung? Dabei ist der doch ganz vernünftig?

Oder die Ms, die von den Vs zum wiederholten Fensterputzen genötigt werden und dementsprechend über die Vs reden. Hä?, dachte ich. Die Vs sind doch eigentlich ganz vernünftig?

Nun ja.
Vermutlich klärt das die Frage, warum ich mit den meisten Leuten gut auskomme. Mit dem E., seinem Bruder, dem H., den Ms und den Vs.
Wenn der H. mir keine Banane geben will, dann hole ich mir die eben anderswoher. Oder entscheide mich für Orangen, das ist sowieso die bessere Wahl**.

Das hat natürlich auch seine Schattenseiten, dieses gut-mit-den-Leuten-auskommen. Würde ich mich aufregen, würde ich die Banane vielleicht doch bekommen***. Und manchmal wäre es durchaus angebracht, sich aufzuregen, gerade wenn jemand daherkommt und sagt, Bananen – das sei der letzte Dreck, Bananen, die sollten nun wirklich verboten werden.

Tja.

 
* Nein, natürlich nicht nach einer Banane. Ich will aber nicht die wahre Geschichte erzählen und etwas anderes bekloppteres fiel mir auf die Schnelle nicht ein.
** FunFact am Rande: Der E. entschied sich dann gezwungenermaßen auch für Orangen. Und die seien ja viel besser als Bananen. Sagte irgendwann der E.
*** Aber wer will schon Bananen? Igitt****.
**** Um auch mal die S. zu zitieren.

WmdedgT – April 2017

Frau Brüllen fragt: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Kurz vor sieben ist m wach. Ich eher nicht.
Kurz nach sieben entdeckt m, dass sie schon ganz allein aufs Bett klettern kann. In vier von fünf Versuchen. Der fünfte geht dann leider nach hinten los. Immerhin, jetzt bin ich auch wach.

Zähne putzen, waschen, anziehen, frühstücken, Visitenkarten durch die Luft werfen. Und wieder aufsammeln. Und wieder durch die Luft werfen. Und aufsammeln. Zwischendurch greife ich mir eine und schreibe Dinge wie „Bank“, „Schornsteinfeger“ oder „Telefon kündigen“ auf die Rückseite. 100 Visitenkarten, die brauche ich nie im Leben. Dachte ich mal. Aber jetzt ziehen wir um und ich brauche sie doch („Paketband“).

Als nächstes schleppt m Bücher an. „Unterwegs auf dem Bauernhof“ und „Körpersprache des Hundes.“

Dann die übliche Einkaufsrunde, das heißt, upsi, eine von uns beiden muss zuerst noch was anderes anziehen.
Jetzt aber los.
Friedhof, Fischstand, den ersten Hund sehen, den zweiten gleich hinterher, Geld holen, eine Visitenkarte abhaken und die Bank über unsere neue Adresse informieren. Zum zweimillionsten Mal das Gespräch „Warum man hier eigentlich nicht wegziehen sollte, aber woanders ist es auch schön“ führen. Dann noch zum Metzger und Frau S. im Lieblingslebensmittelmarkt Hallo sagen.

Wieder zu Hause stellen wir fest, dass ein Stockwerk höher tatsächlich immer noch eine Wand steht, die es einzureißen gilt. Nein, hier wollen wir nicht bleiben. Nun ja, die Liste ist lang, es gibt genug zu tun, wir fahren zur Tankstelle. Auf dem Rückweg blockiert die Müllabfuhr unsere Straße. Wir warten in aller Ruhe (!!!! (im Auto!)) darauf, dass der Weg frei ist.

Dummerweise steht die Wand immer noch, als wir zurückkommen. Aber es gibt immer noch genug zu tun, ich schneide Äste klein, m sammelt sie in einen Eimer, der Eimer kommt in den Biomüll, wir buddeln Herbstastern aus, und endlich, die Wand ist weg.

Mittagessen. Nun ja, eher der Versuch eines Mittagessens. m will lieber stillen und schlafen. Und noch mal stillen und schlafen.

Während m schläft, erledige ich Punkt 218 der Liste: Eine Karte für K. schreiben. Beim Schreiben fällt mir noch etwas ein, ich hole die Schere und einen Stift und Geschenkband und kein Wunder, dass die Liste nicht kürzer wird. Schere, Stift, Geschenkband brauche ich dann aber sowieso, denn Punkt 219 der Liste: das Geschenk für den 80. Geburtstag verpacken.
Kaum ist es verpackt, wacht m auch schon wieder auf (na gut, ich habe zwischendurch auch noch etwas gegessen und ein Buch gelesen überflogen, das leider hielt, was der Einband versprach).

m wirft Plüschtiere durch die Gegend und wir schauen zum dreimillionsten Mal „Das bin Ich & Das bist Du“ an. Und die Heule Eule.
Gefühlt jedes zweite von ms Büchern handelt von einer Mama, die ihr Kind sucht, beziehungsweise einem Kind, das seine Mama sucht. Und was ist mit dem Papa? Tss. Glücklicherweise muss ich ja nicht genau das vorlesen, was da steht*.

Schließlich fahren wir mit dem Auto zum Biomarkt**, bringen Gemüsekisten zurück und kaufen ms Oma einen Osterhasen. Eine Frau fragt, ob sie unsere Einkäufe für uns mit dem Auto nach Hause fahren soll – „Sie wohnen doch an der Bergstraße?“ Äh, nein. Noch dazu sind wir selbst mit dem Auto da. Aber trotzdem Danke.

Weiter zum Gemüsemann. Auch dort ist der Frühling angekommen, der Rübentisch im Eingangsbereich ist nämlich gar kein Rübentisch mehr, dort gibt es jetzt Radieschen, Petersilie und Eiszapfen.
m stapelt Einkaufskörbe. Schaut sich das Nudelregal an. Nudeln sind wirklich sehr spannend. Irgendwann kann ich sie aber doch zur Kasse locken. Und ins Auto. Auf der Heimfahrt stelle ich fest, dass es ganz gut ist, dass die Müllabfuhr morgens kommt und nicht nachmittags.

Und so geht der Tag weiter und zu Ende. Essen, Visitenkarten abhaken, m ins Bett stecken, kochen, schon wieder essen***, Visitenkarten abhaken, logistische Fragen mit dem MMM klären (oder na ja, zumindest darüber reden), undnocheineVisitenkarteundnocheine.

Nächsten Monat das Ganze dann in neuer (alter) Umgebung. Ui.

 


* „Alle Menschen haben einen Körper mit einem Kopf, zwei Armen und zwei Beinen.“ (aus: „Das bin Ich & Das bist Du“, Illustration und Text: Doris Rübel)
Ach. Ist das so?
** Was ich ähnlich bekloppt finde, wie mit dem Auto in den Wald zu fahren. Nun ja.
*** Natürlich wird m genau dann wieder wach, als wir das Essen auf unsere Teller verteilt haben.

Im Märzen der Bauer*

Jetzt übertreibe es mal nicht, bin ich versucht, dem Frühling zuzurufen, als ich m bienenumsummt und sonnengewärmt durch blühendes Weiß, Gelb, Rosa, Grün, undsoweiter schiebe.
Aber nun, genauso gut könnte ich „einem Ochs ins Horn pfetzen.“ Wie P. gern sagt.

Und er ist ja tatsächlich ganz hübsch anzusehen (der Frühling). Schneeballbäume um mich herum und die hellgrünen Ahornkugeln stehen auch schon in den Startlöchern.

m jedenfalls juchzt. „Ah!“, ruft sie und zeigt nach vorn. Vorn (und hinten und seitlich und in der Luft und überall) ist der Frühling, aber den meint sie nicht. m meint den Hund, der uns entgegen kommt. Seit ich mit m unterwegs bin, lächeln mir fast alle Hundebesitzer zu. Genaugenommen lächelt mir sowieso fast jeder zu, das heißt, noch genaugenommener lächeln sie natürlich m zu. Aber die Hundebesitzer, die ganz besonders. Endlich mal jemand, der ihren Hund ausreichend zu würdigen weiß.

Über uns kreisen Paraglider, in der Ferne steht erhaben die Burgruine und in unserer Straße baut das dicke rote Auto, das regelmäßig viel zu schnell unterwegs ist, beinahe einen Auffahrunfall. Meine Zeugenaussage wäre vermutlich nicht sonderlich objektiv ausgefallen.

Das Auto in der Einfahrt zu unserem Haus dagegen ist weg. K.s Wohnung nun also schon so gut wie ausgeräumt (so schnell geht das). Papier, Glas, Sperrmüll, zwei leere Gemüsekisten. Und ein Zitronenbaum. In guten Zeiten aus Zitronenkernen selbst gezogen. Menschen, die Zitronenbäume aus Kernen ziehen sollten verdammt noch mal ihr Leben –
Ja, das hatten wir schon. Nützt alles nichts, dem Ochs ins Horn gepfetzt.
m und ich fahren noch eine Runde auf den Friedhof, Blumen gießen.

 
* Ich weiß, ich weiß. Es ist schon April. Aber was kann ich dafür, dass die Zeit so schnell vergeht.

Danke.

Ohne Nachbarn wie euch wäre das gar nicht möglich, sagt P. immer, wenn mal wieder ein Zelt im Hof steht.

Unsere neuen Nachbarn sind ja etwas mehr als „nur“ Nachbarn, Familie nämlich, und auf ebenjene (Familie) wollte ich schon lange mal ein Loblied singen schreiben. Auf alle, nicht nur auf die von nebenan. Und überhaupt nehme ich es da nicht so genau, von wegen Familie, duden.de sagt, das sei die „Gruppe aller miteinander [bluts]verwandten Personen;“, ich zähle da noch andere hinzu, A. zum Beispiel*, die mit dem Akkordeon vor der Tür steht, vor der Nachbartür wohlgemerkt, denn dorthin habe ich uns zum Kaffeetrinken eingeladen.
Genaugenommen trinken wir den Kaffee sogar bei den Nachbarn, die von gar nichts wussten, zumindest ich hatte ihnen nichts gesagt, das war aber überhaupt kein Problem**; wie es fast nie ein ein Problem ist, womit ich jetzt wieder beim Loblied bin. Dabei war ich eigentlich bei A., die sich nach dem Ständchen spontan wieder ins Auto setzt, um P. abzuholen, womit ich eigentlich den MMM beauftragen wollte, nur, der hatte gerade anderes zu tun.

Später kommt noch B., der zuerst dachte, er hätte uns verpasst, aber weil der H. den H. abgesetzt hat (oder so ähnlich), kam er dann doch noch zu seinem Kuchen, also zu meinem, wobei er ja nicht wegen dem Kuchen kam, sondern wegen mir. Und ich vor lauter Trubel vergessen habe, noch ganz persönlich Alles Gute zu wünschen; vielleicht war das aber auch nur, weil der B. ausnahmsweise mal nicht am Wochenende Geburtstag hatte, da vergisst man sowas schon mal.

Jetzt fehlt noch mindestens die Hälfte (an Menschen, auf die ein Loblied zu singen wäre). P. und H. natürlich, dorthin hatte ich uns zum Mittagessen eingeladen, abermals. H. hat auch gleich noch einen Kuchen gebacken, einfach so.

Und A. isst auch mit und hat Luftballons aufgehängt. Das sind so Dinge. Ganz viele kleine Dinge, die einfach so getan werden. Ohne groß Aufhebens darum zu machen.

Und M. und R., die waren heute zwar überhaupt nicht da (weil sie in Urlaub sind. Schon wieder. Hihi.), haben aber sicherlich im schönen Österreich einen Kaiserschmarrn mit Bergblick (Hach!) gegessen und dabei fest an mich gedacht (Germknödel ginge notfalls auch).

Na ja, so ein richtiges Loblied wird das hier nicht, merke ich gerade. Ich weiß auch nicht. Gar nicht so einfach, die Sache mit den Lobliedern.

Jedenfalls, um mal wieder auf den Anfang zurückzukommen und gleichzeitig ein Ende zu finden: Ohne euch wäre das alles gar nicht möglich. Und auch gar nicht so schön. Ich freu mich so, dass ich euch habe, bitte bleibt mir noch ganz lange erhalten.

Und nun noch ein Bild für C. im fernen Irland (und natürlich auch noch ein Dank an G., die mich mit dem Motiv beschenkt hat):

Und auch noch ein Danke an D., für das Päckchen im Briefkasten. Möge es ein hundertstes Buch werden. Gute Besserung übrigens, falls das noch angebracht ist, ich komme auf anderem Weg gerade nicht dazu.

 

* Obwohl. Eventuell ist auch hier eine gewisse Blutsverwandtschaft vorhanden. Es ist kompliziert.
** Und H. (die Nachbarin, die nichts wusste) so: Ist denn noch ein Stuhl frei (für mich)?
Aber hallo, wir sitzen auf deiner Terrasse, ein freier Stuhl für dich ist ja wohl das mindeste.

Der Wust.

In meinem Kopf. Analog zu der Matheaufgabe (Mathe, Sie erinnern sich?) mit den Haaren, da musste man auch erst einmal die Hälfte der Informationen aussortieren, unnützer Ballast; oder wie die Horden an Bienen, die letztes Jahr die Lindenblüten auf dem Friedhof umschwärmten, apropos Friedhof, G. lächelt nicht mehr. Ich stehe an G.’s Grab, denke mir, das darf nicht sein, nur dieser eine, vor sich hinwelkende Blumenkranz, wie kann das sein, an allen anderen Gräbern überbordende Bepflanzung und hier, ich werde Blumen kaufen, nehme ich mir vor, dabei habe ich G. doch gar nicht gekannt, nur ihr Lächeln und da war sie vielleicht schon gar nicht mehr sie selbst oder gerade doch.
Frau R. ruft an, wegen K., ob wir schon wissen. Nur vom Hörensagen, antworte ich, aber das antworte ich nicht wirklich, das denke ich nur, jetzt, beim Aufschreiben, deswegen. Jedenfalls, es stimmt, das Gehörte, K. ist nicht mehr da, also nicht mehr in ihrer Wohnung und einerseits macht das alles leichter, endlich nicht mehr den ganzen Tag danach zu horchen, ob wenigstens mal die Klospülung zu hören ist, oder ob das Fenster vielleicht auf ist; vor zwei Tagen war es das, lange, sehr lange, zu lange vielleicht; vor dem offenen Fenster fragt mich Frau J., Sagen Sie, wohnt die Dame noch da?, ich weise dezent auf das offene Fenster hin, Frau J. aber macht sich nichts aus offenen Fenstern, das sei doch krank, fährt sie fort, immer den Rollladen unten, ob die Dame denn wenigstens einen Fernseher hätte.
Einen Fernseher.
(Nein, hat sie nicht.)
Jetzt ist K. weg und eine Sorge weniger oder auch nicht, aber dann ist das Haus plötzlich ganz leise und still; verlassen, obwohl, das war es vorher auch schon, ich wünsche ihr alles Gute, ja, möge es gut werden; viel Hoffnung habe ich allerdings nicht (mehr), und fair ist das alles auch nicht (aber was ist schon fair). Menschen, die über dem Wäscheaufhängen einen Lachanfall bekommen, der den ganzen Tag andauert, die sollten verdammt noch mal ihr Leben auf die Reihe kriegen; im Gegensatz dazu könnten doch ein paar von den anderen –
Dabei kriege ich mein Leben ja auch nicht auf die Reihe, mehr als K., das schon, aber ich fange schon wieder an, mir Bücher auszuleihen, solche, die mir angeblich dabei helfen, herauszufinden, was noch aus mir werden soll, wer weiß das schon, ich nicht, die Bücher bisher auch nicht, apropos Bücher, heute war Bücherkistentag, und in einer, das heißt, genaugenommen war es eine Spielekiste, fanden sich Karten der Kraft, die hätte ich nicht mitnehmen sollen, muss man nur umziehen, aber ich nahm sie eben doch mit und dann ziehe ich eine, Was soll nur aus mir werden, frage ich, und es ist der Schmetterling, zur Hölle, ausgerechnet, wer will schon einen Schmetterling, das ist viel zu sehr Frühling, eine Krähe, das wäre doch etwas gewesen; ich lese natürlich trotzdem die Beschreibung, wenig überraschend erzählt sie mir was von Transformation, ja klar, echt jetzt mal, Calvin fällt mir ein, es ist gerade Transmogrifier-Zeit, vielleicht wäre das eine Option, genug Kartons hätten wir ja, ich passe nur in keinen davon hinein, geht also doch nicht, m würde hineinpassen, aber m soll bitteschön bleiben, was und wer sie ist. m müsste man außerdem die Fingernägel schneiden, heute Morgen habe ich das versucht, nun ja, Erklären und Überzeugen, da kann man sich den Mund fusselig quatschen, Ablenkung, das geht schon eher, dummerweise ist die beste Ablenkung eine, nach der man mit Händen greifen kann, mit beiden, Sie bemerken das Problem. Später dann will m Zähneputzen, freiwillig, einfach so und wie sie da an ihrer Zahnbürste herumlutscht und ich mich frage, ob das wohl das Wahre ist, an Zahnbürsten herumzulutschen, da merke ich plötzlich, dass m gerade sehr abgelenkt ist, einhändig noch dazu und ich schaffe es, drei Fingernägel zu schneiden.
Der Schmetterling klärt den Denkprozeß, sagt das Buch zu den Karten der Kraft, nun ja, bisher ist davon noch nicht allzu viel zu merken.

Plus und Minus.

Diese Tage, an denen die Gedanken wild durcheinanderwirbeln. Ich müsste noch bei der Apotheke anrufen, wann war noch gleich der nächste Impftermin, ein Geschenk brauchen wir auch noch oder zumindest eine Karte, was soll man da schenken, warum ruft die mich jetzt an und erzählt mir das, sollen wir uns am Donnerstag nicht doch lieber woanders treffen, wie soll das überhaupt werden, was sollen wir eigentlich essen, ob wir R. direkt in der Stadt treffen sollen, nicht mit dem Fahrrad fahren, wie schafft man es eigentlich, dass sich das Kind mit den Schuhen anfreundet, …

Man sollte vermutlich meditieren.
Ich hätte sogar ein prima Meditationskissen, aber das ist wie mit dem Gärtnern – die Idee finde ich gut. Die praktische Umsetzung, nun ja. Und meditieren ist sowieso eher schwierig, wenn einem m am Bein hängt.
m schläft zwar gerade, aber das muss jetzt wirklich keiner wissen.

Durch den Wald laufen, na klar, aber da ist diese fünfundvierzig-Minuten-Begrenzung und fünfundvierzig Minuten durch den Wald laufen reichen üblicherweise nicht, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Nichtsdestotrotz ist Wald ein guter Plan.

Was auch ein überraschend guter Plan ist: 222 Tests Mathematik.
Nachdem mich kürzlich mal wieder der Blackout überkam, als mir irgendwo eine äußerst simple Rechenaufgabe begegnete, hatte ich mir vorgenommen, 40 Tage mit Matheaufgaben zu verbringen.
Das ist eigentlich wider das Fastenprinzip, von wegen Verzicht und es soll ja schon ein bisschen weh tun und so. Vielleicht habe ich das mit dem Fasten auch noch nicht verstanden, egal, es war ein Anlass, Matheaufgaben zu machen und der Witz ist, dass ich völlig vergessen hatte, wie viel Spaß mir das macht. Das heißt, so richtig hatte ich es nicht vergessen, ich wusste schon noch, dass ich das immer gern gemacht habe. Was ich vergessen hatte, war das Gefühl. Wie es sich anfühlt, Matheaufgaben zu machen. Wunderbar, nämlich. Aufgaben, Lösungen, Struktur, Aha-Momente („Ach stimmt, so ging das“) und viele kleine Hurra-ich-kann-das-Momente. Die könnte ich mir natürlich leicht kleinreden, von wegen popelige Bruchrechnungen, addiere 5/6 mit 4/5, was soll denn daran schwer sein, aber hey. Ich kann das. Und es macht Spaß.
Daher: Entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch ein paar Brüche zu addieren und zu subtrahieren.