Die Wolken haben sich in den Bergen Hügeln verfangen, die Sonne versteckt sich, von den Sträuchern tropft es – dass es noch nicht November ist, merkt man eigentlich auch nur daran, dass immer noch Blätter von den Bäumen fallen.
Die Abende werden dunkler, die Tage kühler, die Straßen nasser; meine Straßenlaterne leuchtet ins Dunkel; eine Kerze, ich könnte eine Kerze anzünden, denke ich und tue es auch.
Wie kann man diesen nassen, grauen Nebelherbst nicht mögen.
Vielleicht mag ich ihn, weil mit ihm die Stille Einzug hält. Weil ich dann regelmäßig an Hesse denke, sein Nebel-Gedicht. „Jeder ist allein.“ Und ist es nicht.
Auf der Buchmesse bin ich auf das Buch 183 Tage von Ianina Ilitcheva gestossen. Ianina Ilitcheva hat zuerst ein Experiment, aus dem Experiment schließlich ein Buch gemacht. 183 Tage soziales Exil.
Es ist ein schönes Buch geworden.
Und wie immer, wenn ich höre, wie sich jemand in irgendeine Form der Einsamkeit zurückzieht, will ich das sofort auch tun.
Allein sein, die Stille hören.
In Ianina Ilitchevas Buch findet sich die „Monatliche Nachricht an die Außenwelt.“ Sie findet sich auch auf einem Blog, dort allerdings ohne diesen Titel, einfach nur „tag x von 183.“
In „Tag 183 von 183 (+?)“ schreibt sie: „das Alleinsein. es brachte die Erkenntnis, dass man nie völlig allein sein kann und es in Wahrheit immerzu ist.“
Wie wahr.
Heute morgen im Radio dann eine andere Frau, ein anderes Experiment, ein anderes Buch. Pauline de Bok, Blankow oder Das Verlangen nach Heimat. Blankow, das ist ein Ort und dorthin hat sich Pauline de Bok zurückgezogen, allein, na ja, mit einem Hund. Mehrere Male war sie für längere Zeit dort und im Interview las sie aus ihrem Buch, sie las folgendes: „Den Moment des Eintretens in diese Welt empfinde ich wie einen seltsamen Verstoß. Ich störe das planlose Dasein der Dinge. Ich geben ihnen ihren Sinn. Ich fülle den Raum mit Absichten.*“
Das planlose Dasein der Dinge. Vielleicht ist es genau das, was ich mir von der Stille wünsche, was mich zu ihr hinzieht. Die Absichten loslassen.
Vielleicht mag ich auch deswegen den Nebelherbst so gern – auch er zieht sich zurück. Einheitsgrau, alles verschwimmt, „kein Baum sieht den anderen“, keine Ablenkungen mehr.
Eine Ahnung von Alleinsein in einer lauten Welt.
* Wohlgemerkt nach Gehör aufgeschrieben.