Spritzpistolen*. Oder: Die Menschen und ich.

Manchmal, ziemlich oft sogar, sehe ich mir selbst beim Leben zu und frage mich, was ich da eigentlich tue.
Das bin doch gar nicht ich!, denke ich dann. Genaugenommen habe ich – unter Menschen – sowieso höchst selten das Gefühl, wirklich ich zu sein. Genaugenommen muss ich noch nicht mal unter Menschen sein, es reicht schon der Gedanke, jemand könne lesen, was ich schreibe.

Ich wäre gern rücksichtsloser. Im besten Sinn. Würde mich gern öfter „zu Hause“ fühlen. Keine Rolle spielen, keine Maske aufsetzen, nicht so tun, als ob.
Ja, das wäre ich gern, aber es ist so schwer. Zu sein, wie ich vermeintlich sein sollte, wie es erwartet wird, ist so viel leichter, einfacher.
Also passe ich mich den vermeintlichen Erwartungen an. Es passiert einfach, ich kann es nicht aufhalten, merke es manchmal noch nicht mal, erst hinterher, wenn ich erschöpft bin, meine Ruhe haben, mich selbst wiederfinden will, weil ich mich irgendwo da draußen verloren habe.

Als ich in den Kindergarten kam, waren die anderen Kinder drei Jahre alt. Alle**. Nur ich nicht, ich war erst zwei. Warum bin ich die einzige, warum sind alle drei Jahre, nur ich nicht, habe ich mich gefragt.

Und so ist das heute noch manchmal mit mir und den Menschen. Warum haben alle eine Spritzpistole, nur ich nicht?
Manchmal ist es mir egal. Wer braucht schon eine Spritzpistole? Manchmal tue ich so, als wäre es mir egal. Manchmal frage ich, ob ich auch eine bekomme. Manchmal werde ich gefragt, ob ich auch eine haben will.

Meistens ist nichts davon richtig. Es endet zum Beispiel damit, dass ich eine Spritzpistole in der Hand halte und mich frage, was zur Hölle ich damit anfangen soll. Warum die anderen so eine Freude daran haben. Und ich nicht.
Die anderen sind immer noch die anderen, sind immer noch ein Jahr älter, ich bin immer noch ich.
Bin bedürftig. Danach, jemand möge nach diesem Ich Ausschau halten, es mir zeigen, erklären.
Ich mag das nicht, diese Bedürftigkeit. Sie macht keinen guten Menschen aus mir, macht mich missgünstig und gierig. Es reicht ja nie. Es reicht nicht, wenn einer kommt und fragt, ob ich mitspielen will. Es reicht nicht, wenn einer kommt und mir (s)eine Spritzpistole gibt. Es reicht nicht, ebenfalls eine Spritzpistole zu haben.
Es reicht noch nicht mal, denjenigen zu treffen, der ebenfalls keine Spritzpistole hat, auch gar keine haben will.
Nie reicht es. Mehr, mehr, mehr.

Sieh mich an, singt Such a Surge.
Sieh mich an und fülle mein nie endendes Verlangen, gesehen zu werden. Wie ich bin. Wer ich bin. Sieh nicht nur das, was ich vorgebe, zu sein. Sag mir, wer ich bin, sag mir, dass ich wichtig bin, immer wieder. Mach, dass ich es glauben kann.
Ich weiß es, aber Wissen nützt manchmal nichts. Unter anderem deshalb tue ich manchmal so, als hätte ich Spaß an Spritzpistolen, obwohl es alles nur noch schlimmer macht.

Guck mal, wie ich weg bin, sagte mal eine Dreijährige zu mir und irgendwie fasst das alles zusammen. Oder auch nicht.
Eine andere Dreijährige motzte mich mit „Alleine!“ an, als ich ihr bei irgendetwas helfen wollte. Passt im Grunde genausogut.

 

* Die Spritzpistole hat debruma ins Spiel gebracht. Anderswo, in einem anderen Spiel, das nichts (und alles) mit diesem hier zu tun hat. Die Spritzpistole könnte auch ein Feuerwehrauto sein, eine Schaufel, ein Luftballon. Irgendwas. Oder nichts.
** Nein, nicht gefühlt. So war das damals. Mit drei Jahren kam man in den Kindergarten, vorher nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Allgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert