New York, Rio, Tokyo.

Der MMM vergnügt* sich gerade auf der anderen Seite des Ozeans und sendet ab und an Fotos von Freiheitsstatuen und so. Ich sehe die an und denke:
a) Hurra! Er wurde nicht überfallen/ins Gefängnis gesteckt/ist nicht verloren gegangen/etc.
b) Wie kann das nur sein? So weit weg und doch so nah? Und warum bin ich hier und nicht dort?

Ich erlebe ja nix mehr. P., der keinen Führerschein mehr hat, kommt mehr herum als ich. Die S., die ich nicht mehr so nennen soll, sitzt auch schon wieder im Reisebus, irgendwo zwischen München und der Heimat.
Ich sitze vor dem Rechner, draußen ist Herbst und Herbst ist prima, besonders, wenn es regnet, dann kann ich guten Gewissens drinnen bleiben, Waffeln backen, Schupfnudeln kochen und mich der Heimeligkeit ergeben.
So lange, bis der MMM das nächste Foto schickt.
Immerhin fahre ich nächstes Wochenende in die Schweiz, denke ich dann. Das ist doch auch was.

Überall Gratwanderungen. On/off. Daheim bleiben/rausgehen.
Wenn man nicht rausgeht, erlebt man dummerweise auch nix. Na ja, stimmt so nicht, manchmal klingelt einer, aber meistens will derjenige Äpfel verkaufen oder mich mit der Bibel erretten.
Wenn man rausgeht, ist die Wahrscheinlichkeit, etwas zu erleben, höher. Vor allem, wenn man dahin geht, wo man noch nie war.
Ich ging also heute ins DAI. Da wollte ich schon immer mal hin, ich weiß gar nicht warum, so spannend ist es dort jetzt auch wieder nicht. Kultur und so. Kommt halt immer darauf an, wer da ist.
Heute waren außer mir noch Jorge Bucay und ungefähr zweiundneunzig andere Menschen da, die hören wollten, was er so zu Verlusten zu sagen hat. Darüber hat er nämlich ein Buch geschrieben. Er hat noch viel mehr Bücher geschrieben, manche davon habe ich sogar schon gelesen, was auch der Grund war, warum ich ihn jetzt mal hören wollte. Und das Rausgehen natürlich, das war der eigentliche Grund. Was erleben.

Jorge Bucay erzählte was, zeigte lustige Filmchen, ließ vorlesen, erzählte wieder was.

Nun ja, was erleben. So spannend war das dann doch nicht. Unterhaltsam, das schon. Aber inhaltlich jetzt nicht so neu. Für mich.
Die Verluste, sagte er. Auf die käme es an. Glück und Erfolg, das ist was für Amateure, das kann ja jeder. Verlust, Kummer und Leid** – das ist dann für Fortgeschrittene beziehungsweise gerade das macht aus einem Anfänger einen Fortgeschrittenen***. „Heul doch nicht“ und „Sei nicht traurig“, das sei großer Blödsinn. Heul eben doch. Sei traurig.

Schön jedenfalls, unzählige Male gesagt zu bekommen, man sei „a piece of art“. Jeder sei „a piece of art“. Manche wüssten es halt noch nicht.

Jorge Bucay aus Buenos Aires. Wie sich das schon anhört, da will man doch sofort hinfahren und was erleben.

Nun ja, die Heimfahrt über die Neckarbrücke war jetzt auch nicht so schlecht. Sonnenuntergang auf der einen, von der Abendsonne erleuchtete Schlossruine auf der anderen Seite.

Zuhause neue Fotos vom MMM. Baden im Atlantik.
Ich bin dann mal unter der Dusche.

* Nun ja. Dass er dort arbeitet, schmälert das Vergnügen dann doch ziemlich. Aber noch ist ja Wochenende.
** Losses, sorrow and grief, sagte er. Hört sich doch gleich viel schöner und tragischer an.
*** Das ist jetzt natürlich alles extrem sinngemäß und verkürzt zusammengefasst. Noch dazu habe ich vielleicht alles mögliche falsch verstanden.

Allgemein

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