Gestern am Badesee habe ich die Zeitschrift GEO Wissen aufgesammelt*, Thema: Entscheidung und Intuition – Was will ich?
Darin mehr oder weniger interessante Artikel, unter anderem auch ein Dossier, in dem man anhand diverser Tests herausfinden kann, was für ein Entscheider man ist, mehr Kopf, mehr Bauch, Maximierer, Satisfizierer, Bedaurer, und auch einer zum Thema: „Neigen Sie zu Fehlentscheidungen?“
Solchen Tests kann ich schwer widerstehen, außerdem hatte ich sowieso nichts besseres zu tun, daher suchte und fand ich einen Kugelschreiber, der sich beim besagten Fehlentscheidungstest als unnötig herausstellte. Gleich die erste Frage führte nämlich zu einem „Hä?“ und war dementsprechend nicht zu beantworten. Nicht aus mangelndem Verständnis meinerseits, nein, aus Mangel an passenden Antwortmöglichkeiten. Normalerweise gibt es in solchen Fällen wenigstens die Option „Na ja, passt alles nicht so ganz, aber am ehesten noch das hier.“
Hier nicht.
Nun ja, dachte ich. Ignoriere ich die Frage eben fürs erste und wende mich der nächsten zu.
Dort aber das gleiche Problem (Hä?). Ich fand das jetzt doch etwas seltsam und befragte den MMM. Wer weiß, vielleicht verstehe ich doch irgendetwas völlig falsch.
Folgendes las ich dem MMM vor:
Sie mögen Tennis, aber noch lieber gehen Sie kegeln. Gerade erst sind Sie gleichzeitig einem Tennisklub und einem Kegelklub beigetreten. Die Mitgliedschaft in Ihrem Tennisklub kostet 200 Euro im Jahr, die in Ihrem Kegelklub 50 Euro im Jahr. In der ersten Woche Ihrer Mitgliedschaft ziehen Sie sich eine Ellbogenverletzung zu. Sowohl Tennisspielen als auch Kegeln tut zu weh. Ihr Arzt sagt Ihnen, dass der Schmerz etwa ein Jahr anhalten wird.
Würden Sie in den nächsten Monaten eher Tennis spielen (a) oder kegeln (b)?
Darunter sechs Antwortmöglichkeiten, ganz links „höchstwahrscheinlich a“, ganz rechts „höchstwahrscheinlich b“, dazwischen vier Abstufungen.
Und siehe da, der MMM und ich scheinen eine ähnliche Neigung zu Fehlentscheidungen zu haben. Er nämlich so: Hä? Weder das eine noch das andere? Ich habe schließlich Schmerzen?
Genau.
Die weiteren Fragen ähnlich unbeantwortbar, beziehungsweise mit der Folgefrage „Die Frage stellt sich (so) doch gar nicht?“ verbunden.
Zum Beispiel: Im Restaurant einen Nachtisch bestellen, nach drei Bissen feststellen, man ist pappsatt. Weiteressen oder nicht?
Das kommt natürlich drauf an. Ob der MMM dabei ist und sich als Mitesser anbietet. Ob das ein superleckerer Nachtisch ist oder eher nicht so. Außerdem stelle ich meist schon in der Mitte des Hauptgangs fest, pappsatt zu sein und bestelle erst gar keinen Nachtisch.
Oder: Man sitzt zu zweit im Kino, der Film ist sterbenslangweilig (finden beide) – bleibt man trotzdem (man hat schließlich Geld dafür bezahlt) oder geht man?
Man geht natürlich. Gibt es wirklich Leute, die sich wegen schon bezahlter zwölf Euro (oder wie viel auch immer) einen sterbenslangweiligen Film antun?
Ich habe zwar auch schon einige Male sterbenslangweilige Filme bis zum Ende gesehen, aber das nur in der Hoffnung, dass es eventuell doch noch besser wird**.
Oder auch: Du streichst deine Schlafzimmerwand mit einer aufwendigen Schwammtechnik. Nach zwei von vier Wänden stellst du fest: Herrje, sieht absolut schlimm aus, unifarben wäre schöner.
Gibt es tatsächlich Leute, die die restlichen zwei Wände auch noch aufwendig UND unschön bemalen? Um die nächsten sieben Jahre regelmäßig beim Betreten des Schlafzimmers so etwas zu denken wie: „Argh. Hätte ich doch nur …“
Der Effekt der versunkenen Kosten oder auch Sunk Cost Fallacy – so nennt sich das Phänomen, das diesem Test zugrunde liegt. Ralf Dobelli hat in seiner FAZ-Kolumne Klarer Denken auch schon darüber geschrieben, ebenfalls mit einem Kinobeispiel (ja, es gibt diese Leute!).
Seiner Meinung nach bleibt man wegen dem Anschein nach Konsistenz im Kino. Weil: Konsistenz = Glaubwürdigkeit, und glaubwürdig will man sein.
Daran sollte ich künftig denken, wenn ich mich wegen mangelnder Disziplin/Durchhaltevermögen mal wieder selbst zur Schnecke mache. Eine Stärke ist das. Sehr schön. Und passt auch prima zu einem anderen Test im Dossier, nämlich: „Bedauern Sie ihre Entscheidungen oft?“
Nö.
* Öffentliche Bücherregale! Ganz großartige Sache.
** Die Hoffnung trügt. Im Normalfall.