Mal verliert man, mal gewinnen die anderen*

Wir waren heute auf dem Fußballplatz. Fußballplätze sind immer für Dramen gut, so war das auch heute, wobei – es war dann doch eher eine Tragödie, als wir ankamen, stand es nämlich schon 4:0 für die falsche Mannschaft und gerade wurde der Trainer der Nullermannschaft des Platzes verwiesen.

Oder so ähnlich, ich bin ja neuerdings doch recht zweigeteilt mit meiner Aufmerksamkeit, die eine Hälfte ist andauernd bei m und fragt sich, ob sie zu viel Sonne, zu wenig Sonne, zu viel Wind abbekommt, gerade Hunger hat oder schlafen will, es aber nicht hinbekommt, vielleicht sollte man auch mal wieder die Windel wechseln, warum fasst dieses fremde Kind m an, undsoweiterundsofort.

Aber zurück zum Fußball – wie so oft war der Schiedsrichter an fast allem schuld (sagte man uns, wir hatten das Drama ja verpasst), aber jetzt gab es nicht mehr viel Grund, an etwas schuld zu sein, jetzt war die Sache gelaufen (so sagte man), es gab zwar Meinungen, dass die Sache vielleicht doch nicht gelaufen sei, aber die Mienen der Nullermannschaftsspieler sagten etwas anderes.

Der Trainer der Nullermannschaft war dann wohl doch nicht des Platzes verwiesen worden, oder er widersetzte sich, jedenfalls tauchte er wieder auf und rief irgendwelche Dinge, daraufhin rief der Schiedsrichter irgendwelche Dinge, daraufhin stolzierte eine Frau mit entschlossenem Schritt und wehendem Kleid Richtung Spielfeldrand und rief ebenfalls etwas, nämlich: „Ich kümmere mich darum“; um was sie sich kümmern würde, blieb unklar, Deeskalation war es jedenfalls nicht, überhaupt war da nicht sonderlich viel Deeskalation am Spielfeldrand.
Was auf dem Platz war, ging leider ziemlich an mir vorbei, m, Sie erinnern sich, m im Schatten; Schatten ging mehr und mehr aus, und dann stand auch immer jemand im Weg, also in der Sicht, dabei gab es etwas zu sehen, immer, wenn m gerade am Einschlafen war, hatte die Nullermannschaft ein Riesenchance und der Spielfeldrand um uns herum schrie auf, woraufhin m wieder die Augen aufschlug, kurzes Entsetzen anzeigte und dann glücklicherweise mit dem Einschlafen fortfuhr.
Ein Tor gab es dann auch noch, die Nullermannschaft war keine Nullermannschaft mehr, an den Mienen war das allerdings nicht unbedingt abzulesen, Sie erinnern sich, die Sache war gelaufen.

Und das war sie dann tatsächlich, irgendwann der Schlusspfiff, die Frau mit dem wehenden Kleid trat noch einmal auf, überhaupt hatten einige einen zweiten und dritten Auftritt, unsereiner fragte sich, wohin das führt, müsste man nicht als Erwachsener Vorbild sein gegenüber der Jugend (womit die Spieler gemeint sind), aber man müsste so vieles und tut es nicht, wir hatten außerdem leicht reden, waren wir zwar Unterstützer der Nullermannschaft, die dann keine Nullermannschaft mehr war, aber erstens hatten wir die dramatischen ersten Minuten nicht mitbekommen, zweitens waren wir emotional nicht ganz so nah dran und drittens hat m uns abgelenkt, Sie erinnern sich.

Praktischerweise scheint das Fußballspiel der dramatische Höhepunkt unseres Tages gewesen zu sein (das Fehlen dramatischer Höhepunkte ist momentan eine gute Sache). Andererseits dauert ein Spiel 90 Minuten ein Tag 24 Stunden. Die Sache ist vielleicht doch noch nicht gelaufen.

 

* Otto Rehhagel